Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Feldern, und in der Ferne sah ich Silberreiher, die über ein Pappelwäldchen flogen wie verstreute Blütenblätter.
Ich hatte Lonnie Felton angelogen. Es war mehr als fraglich, ob ich ihn wegen Beihilfe drankriegen konnte. Aber möglicherweise wäre es das Beste, was ihm passieren kann, dachte ich.
Ich schaltete das Radio ein und hörte mir auf dem Heimweg den Bericht vom Spiel der L. S. U. gegen Georgia Tech an.
Bootsie war beim Geschirrspülen, als ich in die Küche kam. Sie trug Strohsandalen, eine weiße Hose und eine violette Bluse, die mit grünen und roten Blumen bedruckt war. Ihre Haarspitzen leuchteten golden im Licht, das durch das Fliegengitter fiel.
»Was ist los, Boss?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen.
Ich legte die Hand auf ihren Rücken.
»In Lafayette gibt’s ein Krebsbüfett. Für 6,95 kannst du essen, so viel du willst«, sagte ich.
»Ich koche schon was.«
»Ich hab in den letzten zwei Tagen ein paar dumme Äußerungen von mir gegeben«, sagte ich.
Sie spülte einen Teller ab und stellte ihn in den Abtropfständer. Dann blickte sie auf eine Spottdrossel, die auf unserem Gartentisch hockte.
»Es gibt ein paar Sachen, mit denen sich eine Frau nur sehr schwer abfinden kann. Und es spielt auch keine Rolle, wie es dazu gekommen ist«, sagte sie.
Sie nahm den nächsten Teller und spülte ihn ab. Ich spürte, wie sie sich vorbeugte und meiner Hand auswich.
»Möchtest du heute Nachmittag zur Messe gehen?«, fragte ich.
»Ich glaub, ich habe keine Zeit, mich umzuziehen.«
An diesem Abend fuhr ich mit Alafair und einer Freundin von ihr nach New Iberia, ging mit ihnen ins Kino und hinterher ein Eis essen. Später trieb ich mich am Köderladen herum und suchte mir allerlei Beschäftigungen, obwohl die Angelsaison so gut wie vorbei war und morgens nur noch wenige Kunden kamen. Durch die schwarzen Umrisse der Bäume am Hang sah ich die hell erleuchtete Veranda unseres Hauses, die dunklen Wohnzimmerfenster und Bootsies Schatten hinter den heruntergezogenen Jalousien in unserem Schlafzimmer.
Ich rief meinen Betreuer bei den Anonymen Alkoholikern an, einen ehemaligen Ölarbeiter und Barbesitzer namens Tee Neg, der sieben Jahre trocken gewesen war, als er eines Tages in einen Schnaps- und Angelladen ging, der einem Schwarzen gehörte, und einen Eimer Köderfische verlangte, sich dann spontan, ohne jeden Vorsatz – er war allenfalls ein bisschen sauer, weil er sich am Bohrgestänge die Finger eingeklemmt hatte –, eine Literflasche Whiskey bestellte und die folgenden fünf Jahre durchsoff. Sein nächstes AA-Treffen fand in Angola statt, dem Staatsgefängnis von Louisiana.
Ich erzählte ihm, was zwischen mir und Bootsie vorgefallen war. Ich wusste genau, was kam.
»Hast du deswegen getrunken?«, fragte er.
»Nein.«
»Hey, bist du beim Schlafen schon mal besoffen geworden?«
»Nein.«
»Dann geh zu Bett. Ich red morgen mit dir.« Er legte auf.
Nachdem sämtliche Lichter im Haus ausgegangen waren, ging ich hinauf und legte mich im Dunkeln auf die Wohnzimmercouch.
Wally, unser Telefonist, rief um ein Uhr morgens an.
»Die Jungs vom Sheriff in St. Martin vernehmen draußen im Henderson-Sumpf grad ’n paar durchgedrehte Teenager. Kommt mir ziemlich wirr vor. Willst du da rausfahren?«, fragte er.
»Eigentlich nicht.«
»Es klingt aber nach Aaron Crown. Du glaubst doch, dass er sich da irgendwo versteckt hat, stimmt’s?«
»Was klingt nach Aaron Crown?«
»Der Typ, der die zwei Leute auseinander genommen hat. Die ham gesagt, dass die Wände von dem Hausboot voller Blut sind. Der Typ hat das Mädchen festgehalten, während er den Mann allegemacht hat, dann hat er sich die Kleine vorgenommen.«
»Du redest wirres Zeug, Wally.«
»Hab ich doch gesagt. Der Deputy, der’s gemeldet hat, hat auch wirres Zeug geredet. Wie wär’s also, wenn du dich da rausschwingst?«
20
Wenn es darum geht, ein Gewaltverbrechen zu rekonstruieren, sind Augenzeugen manchmal die unzuverlässigste Quelle. Das Blut stockt ihnen in den Adern, sie verlieren die Nerven, ihr Gedächtnis lässt sie im Stich und sperrt sich gegen die Bilder, die das Menschengeschlecht in all seiner Scheußlichkeit zeigen.
Sieben Rettungswagen standen auf dem Henderson-Damm, als ich hinkam. Der Mond war aufgegangen und warf einen zinngrauen Schein auf das Wasser und das Moos in den Zypressen. Eine hölzerne Laufplanke führte vom Damm zwischen ein paar überfluteten Weiden hindurch, zu einem großen, motorisierten Hausboot, dessen
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