Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
gewesen«, sagte der Detective. »Was meinen Sie? Wen gibt’s denn sonst noch hier in der Gegend, der so was fertig bringt? ... Hören Sie überhaupt zu, Dave?«
»Was?«, fragte ich. Die Sanitäter zogen den Reißverschluss des Plastiksacks über Feltons Gesicht. »Oh, Entschuldigung ...«, sagte ich zu dem Detective. »Die Kids haben das am Anfang richtig erkannt. Es war ein Schwarzer. Mookie Zerrang heißt er. Kam mir bloß komisch vor, was Sie da grade gesagt haben.«
»Wie war das?«
»Es geht ums Zuhören. Ich habe Felton gesagt, dass der Typ, der es auf ihn abgesehen hat, vermutlich nicht zuhört. Dabei wollte ich nur einen schlauen Spruch loswerden.«
Der Detective warf mir einen seltsamen Blick zu. Ein Schokoladenklecks klebte an seinem Mund.
21
Nach meiner Entlassung aus dem Militärdienst fuhr ich mit einem Freund aus meiner Einheit quer durchs Land zu einem Angelurlaub in Montana. Am 4. Juli machten wir in einer kleinen Stadt in Westkansas Halt, die aussah wie ein Gemälde von Norman Rockwell. Die Straßen waren gepflastert, von chinesischen Ulmen gesäumt, und am Marktplatz ragte das aus Kalkstein gebaute Gerichtsgebäude inmitten der Eisenwarenhandlungen, Futtermittelgeschäfte und Läden mit landwirtschaftlichen Geräten wie eine mittelalterliche Burg in den blauen Himmel, der hart wie gebranntes Porzellan wirkte. Neben unserem Motel, im Schatten einer riesigen Weide, die höher als die Dachtraufen war, stand eine stuckverzierte Bierkneipe, die aussah wie eine Hochzeitstorte. Am Ende der Straße erstreckten sich, so weit das Auge reichte, grüne Weizenfelder, die wie ein Meer im Wind wogten. Als es an diesem Nachmittag regnete, stieg von den heißen Gehsteigen ein Duft auf, wie ich ihn süßer nie erlebt habe.
Was das soll?
Jahrelang stellte ich mir diesen Ort als eine Insel der Glückseligen vor, unberührt vom Krieg in Indochina und fernab von den brennenden Großstädten daheim. Als ich noch Uniform trug und in den Sozialsiedlungen von New Orleans auf Streife ging, dachte ich immer an diesen heißen, frischen Duft, der an diesem Sommertag des Jahres 1965 in der Luft lag, als der Regen auf die Gehsteige fiel.
Dann erzählte mir ein ehemaliger Cop aus Kansas, den wir wegen Trunkenheit am Steuer und Fahrerflucht aufgriffen, dass die Stadt, die ich so angenehm in Erinnerung hatte, der Schauplatz von Truman Capotes Buch
Kaltblütig
war, einer wahren Geschichte über zwei notorische Mörder, die wegen neununddreißig Dollar und einem Radiogerät eine ganze Familie umgebracht hatten.
Eins wird einem früher oder später klar: Es gibt keine Inseln der Glückseligen.
Es war Montagmorgen, und bislang war niemand wegen des Doppelmordes im Bezirk St. Martin inhaftiert.
»Ich fürchte, die kaufen Ihnen die Geschichte mit dem schwarzen Killer nicht ab«, sagte der Sheriff.
»Warum nicht?«
»Es gibt keinerlei Beweise, dass der Mann schwarz war.«
»Er hatte den Mund voller Goldzähne, genau wie der Kerl, der den Drehbuchautor erledigt hat.«
»Na und? Vielleicht hat Aaron Crown ebenfalls Goldplomben.«
»Ich bezweifle, dass Aaron sich jemals eine Zahnbürste gekauft hat, geschweige denn zum Zahnarzt gegangen ist.«
»Sie glauben also, jemand wollte verhindern, dass Felton unsern künftigen Gouverneur als moralisch Unterbelichteten bloßstellt. Vielleicht haben Sie Recht. Aber für viele Leute ist das ziemlich weit hergeholt.«
»Crown hat das nicht getan, Sheriff.«
»Schaun Sie, der Gerichtsmediziner von St. Martin sagt, beide Opfer hätten Heroin geraucht, bevor es sie erwischt hat. In Feltons Bungalow lag ein halbes Kilo vom feinsten weißen Stoff. Die Jungs in St. Martin meinen, dass es bei den Morden um eine Drogensache ging. Raubmord käme ebenfalls infrage.«
»Raubmord?«
»Der Mörder hat die Handtasche von dem Mädchen und Feltons Brieftasche mitgenommen. Felton hat vorher, in dem Restaurant, mit dicken Scheinen rumgewedelt ...« Er hielt inne und erwiderte meinen Blick. »Hab ich Sie etwa nicht überzeugt?«
»Worauf wollen Sie hinaus, Skipper?«
»Auf gar nichts. Muss ich auch nicht. Wir sind nicht dafür zuständig. Keine weiteren Diskussionen, Dave.«
Ich machte in meinem Büro die Morgenpost auf, holte eine Verrückte aus der Herrentoilette, griff in einem staatlichen Wettbüro draußen am Highway einen Mann auf, der gegen die Bewährungsauflagen verstoßen hatte, half, einen gestohlenen Traktor wiederzubeschaffen, brachte meine Mittagspause im Gerichtsgebäude zu, wo
Weitere Kostenlose Bücher