Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
abzeichneten.
»Aaron war hier, stimmt’s?«, sagte ich.
»Wie kommst du denn darauf?«, erwiderte sie tonlos.
»Er hatte den 32er bei sich, der in der Schuhschachtel mit den ganzen Orden war, die du mir neulich gezeigt hast.«
Sie hielt inne, richtete sich auf und schaute mich erstaunt an.
»Hast du das nicht gewusst?«, fragte ich.
Sie ging vor zur Bar und kehrte mit der Schuhschachtel zurück, pulte die Gummis ab, mit denen sie verschlossen war, und kippte sämtliche Ringe und Uhren, Taschenmesser und Orden auf den Schreibtisch.
Sie wirkte geistesabwesend, in sich gekehrt, so als laufe vor ihrem inneren Auge ein Film ab. Die Fingernägel hatte sie in ihre Handballen gegraben.
»Ich komm mir vor wie die letzte Pflaume«, sagte sie.
»Das musst du nicht.«
Sie zog eine Rolle Pfefferminzdrops aus ihrer Hosentasche und steckte sich eines in den Mund. »Lonnie war hier. Mitten in der Nacht«, sagte sie. »Er hat Daddy interviewt, da draußen an der Bar. Ich bin losgezogen und hab was zu essen geholt. Als ich zurückgekommen bin, war bloß noch Lonnie da.«
»Hat Felton gewusst, dass dein Vater die Knarre hat?«
»Frag mich was Leichteres«, sagte sie. Ihr Gesicht glänzte, wirkte straff wie eine Maske, und sie schaute mich mit verschwommenen Augen an, so als wisse sie seit alters her Bescheid über die Schwächen und die Heimtücke der Menschen.
Ich traf Lonnie Felton am Swimmingpool im Innenhof des weißen Bungalows an, den er sich auf der anderen Seite des Vermilion River gemietet hatte. Im Sonnenlicht, das durch das Moos in den Bäumen fiel, wirkte das mit einer Schicht Sonnenöl überzogene Wasser wie glasiert. Lonnie Felton lag auf einem breiten, hellgelben Plastikclubsessel, neben ihm ein rothaariges Mädchen, etwa achtzehn, neunzehn Jahre alt. Beide trugen dunkle Sonnenbrillen und nasse Badekleidung, waren braun gebrannt, durchtrainiert und wirkten frisch und abgekühlt. Lonnie Felton nahm einen Schluck aus einem Cocktailglas und lächelte mich mit blitzenden Zähnen an, ohne die Sonnenbrille abzunehmen. Seine Freundin, die mit angezogenen Beinen und angewinkelten Armen neben ihm lag, kuschelte sich noch enger an ihn.
»Wissen Sie, was Beihilfe bei einer Straftat ist?«, fragte ich.
»Aber klar.«
»Ich kann Ihnen das anhängen.«
Wieder lächelte er mich mit schmalen Lippen an. Sein Geschlecht zeichnete sich wie gemeißelt unter der Badehose ab. »Gilt hier etwa der Code Napoléon statt der amerikanischen Verfassung?«, fragte er.
»Ich glaube, Mookie Zerrang war gestern bei meinem Köderladen. Er wollte wissen, wo Sie wohnen.«
»Wer?«
»Der Schwarze, der Ihren Drehbuchautor ermordet hat.«
»O ja. Nun, halten Sie mich auf dem Laufenden, ja?«
»Mir ist kalt, Lonnie. Ich möchte reingehn«, sagte das Mädchen neben ihm. Es zupfte mit den Fingerspitzen am Gummizug seiner Badehose.
»Ich bewundere Ihre Kaltblütigkeit. Ich würde mir Sorgen machen, wenn sich so ein Typ nach mir erkundigt«, sagte ich.
»Ich will Ihnen mal was sagen. Dwayne Parsons, das ist der tolle Autor, um den es hier geht, war ein heruntergekommener alter Perverser, der sich in das Projekt reingedrängt hat, weil er ein paar Freunde dabei gefilmt hat, wie sie im Bett ein paar eklige Sachen miteinander treiben. Ich will damit sagen, dass er ein schlechtes Karma hatte und es ihn deshalb erwisch hat. Wissen Sie, was ich dem Schwarzen sage, wenn er hierher kommt und mich erledigen will? ›Danke, dass du nicht früher gekommen bist. Besten Dank, dass du mich mein Leben hast genießen lassen.‹ Ich hadere nicht mit dem Schicksal, Mann. So einfach ist das.«
»Ich habe das Gefühl, dass er nicht zuhören wird.«
Kleine, gelb und blutrot verfärbte Blätter fielen von den Bäumen und segelten in den Swimmingpool. Das rothaarige Mädchen rieb das Gesicht an Lonnie Feltons Brust und legte den Unterarm über seine Lenden.
»Sie mögen uns nicht besonders, was?«, sagte er.
»Uns?«
»Die Filmleute, wie Sie uns vermutlich nennen.«
»Einen schönen Tag noch, Mister Felton. Sichern Sie nach hinten.«
»Was?«
»Gehen Sie öfter ins Kino. Schauen Sie sich mal wieder
Platoon
an.«
Ich fuhr am Fluss entlang, bog auf die vierspurige Schnellstraße nach Broussard ab und nahm dann den alten Highway in Richtung Cade und Spanish Lake nach New Iberia. Die Straße war mit zermalmten Zuckerrohrstrünken übersät, die auf der Fahrt zur Raffinerie von den Wagen gefallen waren; Staubwirbel tanzten auf den kahlen, frisch geeggten
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