Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
erstarben, als ob jemand den Stecker einer Stereoanlage herausgezogen hätte. Ich schaute zu Clete, auf den ich noch nie so stolz gewesen war.
Doch unser Zusammentreffen mit Clay Mason war noch nicht vorüber. Wir sahen ihn draußen noch mal, als er in Begleitung von Karyn LaRose unter der blauen Segeltuchmarkise über dem Eingang des Restaurants hervorkam und auf seinen Stock gestützt vorsichtig über den welligen Gehsteig, dessen Betonbelag von den Wurzeln der Eichen gesprengt war, auf eine wartende Limousine zuging. Plötzlich tauchte ein kleiner schwarzbrauner Straßenköter auf, eine hässliche Promenadenmischung mit hochgestellten Haaren, die wie Schweineborsten aussahen, und kläffte Mason an, fletschte die Zähne und scharrte mit den Krallen am Boden, rückte abwechselnd vor und wieder zurück, hin- und hergerissen zwischen Furcht und Feindseligkeit. Mason blickte starr geradeaus und setzte seinen Weg fort. Dann riss er unvermittelt den Stock hoch, ohne einen Schritt innezuhalten, und zog ihn dem Hund derart heftig über den Rücken, dass das Tier vor Schmerz aufjaulte und zwischen den vorbeifahrenden Autos davonjagte.
Am nächsten Abend fuhr ich mit meinem Pick-up die parallel zum Bayou Teche verlaufende Staatsstraße entlang und parkte in einem am Wasser gelegenen Wäldchen gegenüber von Bufords Plantage. Durch meinen japanischen Feldstecher konnte ich die unter dem Anlegesteg und dem Bootshaus vorbeiströmenden Fluten sehen, die gebogenen eisernen Fensterläden an der Schmiede, die Pferde auf den Feldern, die Pappeln, die vom Wind ans Haus gedrückt wurden. Dann suchte ich mit dem Glas das Ufer ab, bis ich auf die Stelle stieß, an der ich die mit einem Taschentuch umwickelte Ruderdolle an Land geworfen hatte. Die Dolle war weg, und irgendjemand hatte ein Stück Böschung eingeebnet, ein Betonfundament gelegt und mit dem Bau eines Gartenpavillons begonnen.
Ich stützte die Ellbogen auf die Haube meines Pick-up und spähte mit dem Glas zwischen den Bäumen hindurch. Im Abendrot, das wie Feuerschein auf die Stämme fiel, sah ich zuerst einen Polizisten, dann einen zweiten und einen dritten, alle mit Repetiergewehren samt Zielfernrohr und Lederriemen bewaffnet. Sie saßen auf Stühlen im Schatten, wie Jäger, die im Ansitz auf den Hirsch lauern.
Hinter mir knackte ein Zweig unter einem Stiefel.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte ein Polizist.
Er war groß und grauhaarig, kurz vor dem Pensionsalter, und sein Bauch hing wie ein Sack voll Kies über seinen Gürtel.
Ich schlug das Etui mit meiner Marke auf.
»Bin im Dienst«, sagte ich.
»Trotzdem würd ich mich lieber nicht hier aufhalten. Wissen Sie, was ich meine?«, fragte er.
»Nein.«
»Heut Morgen hat man im Sumpf unten am Ufer Fußspuren entdeckt. Abdrücke von Arbeitsstiefeln, wie sie auch ein Sträfling tragen könnte.«
»Verstehe.«
»Die wollen nicht, dass er verscheucht wird, falls er hier auftaucht«, sagte der Polizist. Wir schauten einander schweigend an. Ein Lächeln spielte um seine Augen.
»Sieht so aus, als ob sie ihr Handwerk verstehen«, sagte ich.
»Sehen Sie’s, wie Sie wollen. Aber wenn Crown hier aufkreuzt, muss er seinen nächsten Nigger drunten in der Hölle umbringen.«
Der Garten hinter dem Haus war dunstverhangen, als ich mir am Morgen darauf das Frühstück zubereitete. Ich hörte, wie Bootsie hinter mir in die Küche kam. Das Fenster über der Spüle stand offen, und das Radio auf dem Fensterbrett lief.
»Hörst du Radio?«, fragte sie.
»Ja, ich hab’s grade eingeschaltet.«
»Alafair schläft noch.«
»Daran hab ich gar nicht gedacht. Ich schalt es aus.«
»Nein, stell’s bloß ein bisschen leiser.«
»In Ordnung«, sagte ich. Ich ging zur Spüle und drehte die Lautstärke zurück. Ich schaute aus dem Fenster in den Garten, bis ich sicher war, dass man mir keine Gefühlsregung anmerkte, dann setzte ich mich wieder hin, und wir aßen schweigend.
Wir waren beide froh, als das Telefon an der Wand klingelte.
»Haben Sie die Nachrichten an?«, fragte der Sheriff.
»Nein.«
»Normalerweise würd ich nicht so früh anrufen, aber ich dachte, es war besser, wenn Sie’s von mir hören ...«
»Worum geht’s, Skipper?«
»Um Short Boy Jerry. Die Polizei von New Orleans hat seinen Wagen vor einer halben Stunde bei dieser Sozialsiedlung namens Desire entdeckt... Er wurde erschlagen ...«
Ein Nerv zuckte an meinem Hals. Ich drückte mir mit dem Daumen fest unter das Ohr, damit das Schwirren
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