Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
geschickt. Ich konnt’s nicht ab. Aber sie war ’ne richtig katholische Cajunbraut, weißt du, und sie hat immer gesagt: ›Wenn du meinst, dass du Schuld auf dich geladen hast, weil du jemand was angetan hast, Jerry Joe, dann musst du so tun, als ob du denjenigen nicht kennst, weil er dich sonst dran erinnert, wer du bist und was du ihm Böses getan hast, und vielleicht willst du ihm dann deswegen wehtun. Deswegen musst du beichten gehen!«
Er hob die Flasche und goss einen dünnen Strahl Bourbon in den offenen Schlitz der Bierdose. Er trank einen Schluck und schaute mich versonnen an.
»Und?«, sagte ich.
»Leute wie Karyn und Buford sind falsche Fuffziger. Es ist so, wie meine Mutter gesagt hat. Die wollen nicht in den Spiegel gucken, weil es sie dran erinnern könnte, wie sie mal gewesen sind.«
»Was kann ich für dich tun, Partner?«
»Ich bin weiß Gott kein Engel. Ich hab mich viel zu lange mit der Familie LaRose eingelassen. Aber das, was da jetzt abläuft ... Ich weiß nicht... Es geht nicht bloß ums Geld ... Es macht mir zu schaffen.«
»Erzähl jemandem, worum es geht. Mach es so, wie deine Mutter gesagt hat.« Ich versuchte zu lächeln.
Er griff hinter sich und hielt mir den Karton hin, der auf dem Beifahrersitz gestanden hatte. »Ich hab dir was mitgebracht, das dir gehört. Es war noch hinter dem alten Haus vergraben.«
Ich stellte die Schachtel auf die Fensterkante und nahm den Deckel ab. Mitten in dem zusammengeknüllten weißen Packpapier lag die Handkurbel des alten Grammofons. Das Metall war verzogen und voller Rostblasen, der Holzgriff weggefault.
»Hiermit gebe ich dir etwas zurück, was dir gehört. Jetzt hab ich keinen Grund mehr, sauer auf dich zu sein«, sagte er und lächelte. Dann schlug er die Wagentür zu und ließ den Motor an.
»Lass dich nicht aus dem Takt bringen«, sagte ich.
»Hab ich noch nie.«
Ich lief langsam nach Hause. Die Sonne war inzwischen untergegangen, die Luft war feucht und klamm, und in der Dunkelheit tanzten die rauchig roten Lichter der letzten Glühwürmchen.
23
Wenn man das Gefühl hat, dass alle Stränge gerissen sind, dass man tiefer abgestürzt ist, als man es je für möglich gehalten hat, dass einem der Tag nichts Besseres zu bieten hat als eine erste Tüte bei Sonnenaufgang, damit sich die Morgenflatter legt, oder einen Speedball vom nächstbesten Straßendealer, der das Herz in einen Knallfrosch verwandeln kann, dann landet man unter Umständen an einem Ort wie diesem.
Das Haus war ein paar Querstraßen von der Canal Street entfernt. Es war einst ein Bordell gewesen, in dem sowohl Mulattinnen als auch Weiße ihre Dienste anboten. Später, zu züchtigeren Zeiten, als die Puffs in der Innenstadt von den Behörden geschlossen wurden und die Mädchen stattdessen am Straßenstrich anschaffen gingen, wurde das Gebäude umgebaut und in allerlei Apartments und Studios für Künstler unterteilt, und schließlich wurde ein Hotel daraus, ohne Namen – nur die fünf Neonbuchstaben auf einem Blechschild über dem breiten Fenster, hinter dem eine Reihe aneinander geschraubter Kinostühle zu sehen war. Alte Leute, anscheinend verarmt, die offenbar überhaupt nicht fassen konnten, wie sie hierher geraten waren, starrten geistesabwesend durch die Glasfront auf den Gehsteig.
Der Mexikaner war über die Feuerleiter auf das spitze Dach geklettert und hatte dann den Flug zu den Sternen angetreten. Er war mit einer derartigen Wucht im Innenhof aufgeschlagen, dass eine Bodenplatte zersplittert war, als wär’s eine Schiefertafel.
Der Flur war dunkel und roch nach den Abfällen in den fleckigen Papiertüten, die wie Schildwachen vor den Türen standen. Clete schloss das Zimmer des Toten mit einem Passepartout auf.
»Der Laden gehört einer vietnamesischen Flüchtlingsfrau. Sie hat den Kontoauszug von dem Typ gefunden und gedacht, ich könnte vom Staat die rückständige Miete eintreiben«, sagte er.
Der Putz war von den Wänden gebröckelt. Eine zusammengerollte Matratze lag auf dem eisernen Bettgestell, und in der einen Ecke war ein ordentlich zusammengekehrter Haufen Müll – allerlei Papierfetzen, grüne Weinflaschen und etliche leere Behälter mit Fertiggerichten. Auf dem Holztisch lagen eine flache Brieftasche, ein Pappkoffer und eine Gitarre mit zwölf Stimmwirbeln, aber ohne Saiten. Das Schallloch war rundum mit grünen und rosa Perlmuttintarsien verziert, das Holz darunter voller Schrammen, die wie die Schnurrhaare einer Katze aussahen.
»Was hat
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