Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Ihnen ein Schläger aktenkundig, der so riesig ist?«, fragte ich.
»Nein, aber das heißt noch lange nicht, dass es keinen gibt.«
»Fahnden Sie nach einem schwarzen Killer namens Mookie Zerrang«, sagte ich.
»Nach wem?«
»Er schaut aus wie ein Haufen Gorillascheiße mit Goldzähnen. Fühlen Sie sich geschmeichelt. Er kriegt in Miami zehn Riesen pro Auftrag. Ich wundere mich bloß, dass er sich in so einer Gegend hat blicken lassen. Ohne Scheiß, der Typ soll nämlich angeblich strenge Wertvorstellungen haben«, sagte Clete und schaute Cramer mit ernstem Blick an.
An diesem Abend ließ ich Batist frühzeitig nach Hause gehen und putzte selbst den Köderladen und die Tische am Bootsanleger. Die Luft war kühl, der Himmel purpurrot und voller Vögel, und die untergehende Sonne stand grell wie eine Acetylengasflamme am Horizont. Ich sah einen Schwärm Enten, die in Keilformation tief über den Sumpf angeflogen kamen, dann abdrehten und in der Dunkelheit hinter den Wipfeln der Zypressen landeten.
Ich steckte Jerry Joes Jukebox an und sah zu, wie die bunten Lichter durch die Plastikröhren wanderten wie der Rauch von Markierungsgranaten. Der halbrunde Plattenständer enthielt zwei Aufnahmen von »La Jolie Blon«, eine von Harry Choates, die andere von Iry LeJeune. Ich hatte nie darüber nachgedacht, aber das Leben beider Männer schien auf immer untrennbar mit diesem eindringlichen, wunderschönen Song verbunden, einem Lied, das von Schmerz und Verlust handelte und dieses Gefühl so rein wiedergab, dass man kein Französisch verstehen musste, um zu begreifen, was der Sänger empfand. In »La Jolie Blon« ging es nicht um verlorene Liebe. Es ging um das Ende einer Ära.
Iry LeJeune kam auf dem Highway ums Leben, beim Reifenwechsel, und Harry Choates starb im Alkoholdelirium im Stadtgefängnis von Austin, nachdem er sich entweder selbst den Kopf an den Gitterstangen blutig geschlagen hatte oder von den Wärtern fürchterlich verprügelt worden war.
Möglicherweise hatte ihr tragisches Ende gar nichts mit dem Song zu tun, auch wenn er einem das Herz brechen konnte. Vielleicht bildete ich mir so was nur ein, weil ich selber Alkoholiker war. Aber ich musste einen Moment um die beiden Toten trauern, ebenso wie um Jerry Joe und vielleicht um uns alle, die wir eine Zeit anhalten wollten, die nur allzu schnell verrann.
Jerry the Glide hatte Wurlitzer-Jukeboxes angebetet und insgeheim den Mann verehrt, der Dresden mit in Schutt und Asche gelegt hatte. Nichts als Notbehelfe, dachte ich und fragte mich dann, wie ich es damit hielt.
Ein Wagen kam in der Dämmerung die Straße entlang, wurde langsamer, so als ob der Fahrer halten, sich vielleicht auf dem Heimweg ein Bier mitnehmen wollte. Ich schaltete die Strahler draußen aus, dann die Lichterkette über dem Bootsanleger und schließlich das Licht im Laden, worauf der Wagen an der Bootsrampe vorbeifuhr und um die Kurve verschwand. Ich stützte mich mit dem Unterarm auf die Jukebox und drückte ein paar Nummern. Aber man kann die Vergangenheit nicht mit einer Schallplattenaufnahme zurückgewinnen, die vierzig Jahre alt ist, und auch die versäumten Gelegenheiten nicht nachholen, bei denen man den Toten das Leben ein bisschen leichter hätte machen können.
Ich spürte, wie mir das Blut in den Fäusten pochte. Ich riss den Stecker aus der Wand, schnitt das Kabel mit meinem Taschenmesser entzwei, schob die Jukebox nach hinten und ließ sie mit der Vorderseite zur Wand im hereinfallenden Mondlicht stehen.
25
Am Samstagmorgen hielt ich mit meinem Pick-up in aller Frühe in der Gasse hinter Sabelle Crown’s Bar in Lafayette. Die Gasse war voller Flaschen und Bierdosen, und auf dem Treppenabsatz über dem Hintereingang der Bar stritten sich ein Mann und eine Frau. Die Frau trug einen bestickten japanischen Umhang, der ihre feisten Schenkel erkennen ließ, ihre kastanienbraunen Haare waren nicht gekämmt, das Gesicht ungeschminkt. Der Mann warf einen unsicheren Blick auf mich, dann wandte er sich wieder der Frau zu.
»Schau doch in den Spiegel, wenn du meinst, du bist was Besseres«, sagte er. Er stieg die Holztreppe herunter, ging die Gasse entlang und trat über eine Pfütze, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Die Frau ging wieder hinein.
Ich stieg zum dritten Stock hoch, wo Sabelle am Ende eines dunklen Flurs wohnte, der nach Schimmel roch.
»Es ist früh um sieben. Bist du auf Sauftour oder was?«, sagte sie, als sie die Tür aufmachte. Sie trug nur ein
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