Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
er getrieben?«, fragte ich.
    »Zwei Matschbirnen haben gesagt, dass er braunes H mit Amphetamin verkocht hat. Durch das Speed soll das Zeug stärker reinhaun. Die Mama-san hat die Brieftasche unter dem Bett gefunden.«
    Sie enthielt kein Geld, nur den abgerissenen Durchschlag einer Zahlungsanweisung über sechsundneunzig Dollar, in deren linker oberer Ecke Buford LaRoses Name und Adresse in Druckbuchstaben standen, und ein katholisches Heiligenbildchen mit einer Darstellung der Mutter Gottes, umgeben von einem blaugoldenen Strahlenkranz.
La Virgen de Zapopan
stand unter der Figur.
    Ich öffnete den Koffer. Die Hemden, Hosen und die Unterwäsche waren allesamt zu Bällen zusammengerollt. In der einen Ecke lag ein Paar Stiefel mit umgeklappten Schäften. Sie liefen vorne spitz zu, waren am Rand abgewetzt, hatten abgetretene Absätze, und das Leder fühlte sich so weich und geschmeidig an wie italienische Slipper. Unter den Stiefeln befand sich ein in ein Handtuch eingeschlagener einzelner Sporn mit Zackenrad und verschnörkelten geflügelten Schlangen.
    »Sieht so aus, als ob der Typ irgendwann mal ein anderes Leben geführt hat«, sagte Clete.
    »Weiß man beim NOPD, dass er für Buford LaRose gearbeitet hatte?«
    »Die Mama-san hat angerufen, aber bloß ein breites Gähnen geerntet. Die Polizei in New Orleans hat mit sich selber zu tun. Hier gibt’s Cops, die bewaffnete Raubüberfälle durchziehen. Was interessiert die das schon, wenn in dem Scheißviertel hier drunten ein Typ vom Dach fliegt?«
    »Dock Green sagt, auf dem Anwesen der LaRoses sei ein Kind begraben.«
    »Willst du dir einen Durchsuchungsbefehl besorgen?«
    »Die Verdachtsmomente reichen nicht, sagt der Richter. Anscheinend meint er, dass es mir um etwas Persönliches geht.«
    »Du packst das falsch an, Streak. Nimm jemand in die Mangel, der den LaRoses nahe steht.«
    »Wen?«
    »Der alte Knacker, der Dichter, dieser übrig gebliebene Wirrkopf aus den Sechzigern, der hat seinen Stuss gestern Abend an der Tulane abgelassen. Heut Nachmittag tritt er noch mal droben an der St. Charles auf.«
    Er trommelte mit seinen breiten Fingerspitzen auf dem Resonanzkörper der Gitarre.
    »Kein großer Auftritt, Clete«, sagte ich.
    »Meinst du mich?«
    Clay Masons Dichterlesung fand im Festsaal über einem Restaurant im Garden District statt. Durch die verglaste Doppeltür im ersten Stock sah man ein Straßencafé, die Eichen entlang der Avenue und einen K&B-Drogeriemarkt an der Ecke, dessen grünrote Neonreklame wie bunter Rauch im Regen hing.
    Clete und ich saßen auf Klappstühlen am hinteren Ende des Saals. Wir hatten Glück, dass wir überhaupt einen Sitzplatz bekommen hatten. Entlang der Wände standen zig College-Kids im typischen Seattle-Grunge-Look.
    »Ist das denn zu glauben, dass heutzutage noch jemand auf dem seinen Schmus steht?«, sagte Clete.
    »Das ist derzeit in.«
    »Warum?«
    »Weil sie seinerzeit den ganzen Spaß verpasst haben.«
    Genau genommen wusste ich, dass es vermutlich eine bessere Erklärung dafür gab. Aber sie kam mir so abgestanden und weltverdrossen vor, dass ich lieber den Mund hielt. Präsidenten, die in ihrem ganzen Leben nicht einen einzigen scharfen Schuss mitbekommen hatten, machten dies heutzutage dadurch wett, dass sie andere ins Unglück stürzten, und wurden dafür auch noch gepriesen. Clay Mason wusste genau, wie das kollektive Gedächtnis funktionierte, und so hatte er einfach abgewartet, bis seine Zeit wiederkam und eine neue Generation von intellektuellem Kanonenfutter herangewachsen war.
    Seine anmaßende Art, die falsche Altersbescheidenheit und seine Respektlosigkeit vor allen Tabus waren geradezu peinlich. Er war jahrelang Professor gewesen, doch jetzt lästerte er über Universitäten und Akademiker gleichermaßen. Über seinen eigenen Werdegang äußerte er sich eher zurückhaltend, vermittelte aber trotzdem den Eindruck, dass er mit den berühmtesten Autoren seiner Zeit persönlich bekannt gewesen war. Er stand in seinem ausgefallenen Westernaufzug da, den Stetson schief auf dem Kopf, eine brennende Zigarette in der schmächtigen Hand, und schwang sich zum großen Rebellen auf, zum Fürsprecher der Wobblies, der frühen Arbeiterbewegung, der Hobos um Woody Guthrie und Hart Crane, die mit der Eisenbahn frei durchs Land schweiften, der Bergleute, die in Ludlow, Colorado, umgebracht worden, der Mädchen, die beim Brand in der Triangle Shirt Factory in New York bei lebendigem Leib verbrannt waren.
    Seine Gedichte

Weitere Kostenlose Bücher