Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
brennt lichterloh. Man sieht’s bloß nicht.«
Jerry Joes Buick war bereits abgeschleppt worden. Ein Polizist in Uniform öffnete das eiserne Tor zum Fuhrhof und führte uns an einer Reihe beschlagnahmter Wagen vorbei zum hinteren Teil des Geländes. Der Buick stand vor einer Ziegelmauer. Der Kofferraum war offen, das Armaturenbrett herausgerissen, das Handschuhfach ausgeräumt, die Lautsprecher auf der Hutablage waren abgeschraubt. Ein Stück gelbes Absperrband hatte sich an einem Rad verfangen und flatterte im Wind.
»’ne halbe Stunde länger, und die hätten auch den Motor ausgebaut«, sagte Clete.
»Wie siehst du das?«, fragte ich.
»’ne Bande Straßengören ist drauf gestoßen, als er schon tot war.«
»Sieht aus, als ob sie ihn für einen Muli gehalten haben.«
»Wegen der Türverkleidung? Jawoll. Was aber wiederum heißt, dass sie nicht gewusst haben, wer er war.«
»Aber wenn sie ihn umgebracht hätten, würden sie sich doch nicht lang da aufhalten und den Wagen ausschlachten, was meinst du?«, sagte ich.
»Nein, die waren sich keiner Schuld bewusst. Und genau das sagen sie dir auch, wenn du sie dir vornimmst. Alles ganz harmlos, Mann, sind bloß noch ’n bisschen draußen gewesen, weil’s so ’n schöner Abend war, und ham die Karre von ’nem Toten ausgeräumt. Ich glaub, ich zieh lieber nach Los Angeles«, sagte er.
Wir fuhren zum Revier und trafen den Sachbearbeiter an seinem Schreibtisch an. Er hieß Cramer, war groß und blond, hatte ein schmales Gesicht und trug ein himmelblaues Sportsakko, ein weißes Hemd und eine dunkle Krawatte, an der ein Goldkettchen mit einer Pistole hing. Kerzengerade saß er da, sodass der Bauchansatz, die flache Brust und die Nikotinflecken an den Fingern auf Anhieb gar nicht auffielen.
»Haben wir jemanden festgenommen? Nein. Gibt es Verdächtige? Ja. Sämtliches Gesindel in der Gegend«, sagte er.
»Meiner Meinung nach war es ein Auftragsmord«, sagte ich.
»Sie meinen, es war ein Auftrag?«, erwiderte er.
»Möglicherweise wollte Jerry Joe ein paar Leute auffliegen lassen, Bauunternehmer, die schon Schlange stehen für den großen Reibach oben in Baton Rouge«, sagte ich.
»Sie sind doch mal im First District gewesen, stimmt’s?«
»Richtig.«
»Dann sagen Sie mir Bescheid, wenn Ihnen daran was komisch vorkommt – ein Weißer, der bei Nacht da runtergeht, fordert’s doch geradezu heraus.«
»Kommen Sie, Cramer. Straßenkids hauen ab, wenn sie jemanden umgebracht haben. Die räumen nicht das Auto aus, neben dem die Leiche liegt.«
»Vielleicht haben sie nicht gewusst, dass sie ihn umgebracht haben. Was halten Sie davon?«
»Meiner Meinung nach wollen Sie den Fall bloß loswerden«, sagte ich.
»Ich hab heut früh um vier angefangen. Ein schwarzer Teenager hat drunten in der Desire-Siedlung auf ’n andern Teenager geschossen. Der Schuss ging vorbei. Er hat stattdessen ein drei Monate altes Baby umgebracht. Short Boy Jerry war ein Nichtsnutz. Wollen Sie wissen, ob ich was Besseres zu tun habe? Selbstverständlich hab ich das.«
Sein Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab und drückte dann auf die Wartetaste.
»Geht eine Tasse Kaffee trinken, lasst mir zehn Minuten Zeit«, sagte er.
Clete und ich liefen die Straße entlang, aßen im Stehen einen Hot Dog und kehrten dann zum Polizeirevier zurück.
»Das war der Gerichtsmediziner«, sagte Cramer. »Short Boy Jerry hatte Kies und Betongranulat in der Kopfhaut. Stammt aber vom Sturz, nicht von einem Schlag. In den Wunden um seine Augen hat man Lederpartikel gefunden, vermutlich von den Handschuhen, die der Angreifer getragen hat, oder von einem Totschläger. Der Tod wurde durch eine gebrochene Rippe verursacht, die ins Herz getrieben wurde.«
Er zündete sich eine Zigarette an, legte das Streichholz mit zwei Fingern sorgfältig in den Aschenbecher und schaute uns mit verhangenem Blick an.
»Was gibt’s sonst noch?«, fragte ich.
»Der Gerichtsmediziner meint, dass der oder die Angreifer Short Boy Jerry aufrecht gehalten haben, damit sie länger auf ihn eindreschen konnten. Die Blutergüsse am Hals deuten darauf hin, dass er mit einer Hand festgehalten wurde, während man ihm in den Bauch schlug. Er hatte bereits Hirnblutungen, als die Rippe ins Herz eindrang ...«
»Was ist das für eine Zahl, die da unten auf dem Blatt steht?«, fragte ich.
»Die Faust, mit der die Schläge in die Rippen geführt wurden, muss einen Durchmesser von rund fünfzehn Zentimetern gehabt haben.«
»Ist bei
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