Nacht ueber den Highlands
Leichnam kümmern.
Mit einer Kraft, die Rowena selbst nicht erwartet hätte, raffte sie sich zusammen. »Elizabeths Familie muss verständigt werden«, erklärte sie ruhig.
»Ich kann einen meiner Männer schicken«, erbot sich Stryder.
Sie schenkte ihm ein zittriges Lächeln. »Nein, die behaltet Ihr besser bei Euch. Ihr werdet ihren Schutz vielleicht noch brauchen. Mein Onkel hat genug Männer. Er kann jemanden schicken. Trotzdem danke.«
Stryder nickte.
»Rowena?«
Sie blickte an Stryder vorbei und sah ihren Onkel die Treppe heraufkommen. Ein trauriger, angespannter Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
»Du hast es schon gehört?«, erkundigte er sich sanft.
Sie nickte und musste abermals gegen die Tränen ankämpfen.
»Kann ich irgendwie helfen?«, fragte Stryder.
»Lass mich nicht allein«, flüsterte Rowena. »Ich glaube nicht, dass ich das alleine schaffe.«
Joanne heulte auf und ihre Beine drohten wegzuknicken. Stryder gelang es gerade noch, sie aufzufangen, bevor sie ohnmächtig zusammenbrach.
Rowenas Magen verkrampfte sich, denn sie musste unwillkürlich daran denken, wie fröhlich ihr Elizabeth noch wenige Tage vorher erzählt hatte, wie Stryder die ohnmächtige Joanne in die Burg getragen hatte. Mit strahlenden Augen und roten Wangen hatte sie Rowena gefragt, ob sie glaube, dass Stryder sie zur Königin aller Herzen machen würde.
»Oh Elizabeth«, hauchte sie und das Herz wollte ihr schier brechen. All die Dinge, die Elizabeth sich noch vom Leben erträumt hatte ...
All ihre Hoffnungen ...
Aber daran durfte sie jetzt nicht denken. Denn wenn sie das täte, könnte sie sich gleich zu Joanne legen, und davon hätte im Moment niemand etwas. Nein, es gab zu viel zu tun.
»Bringt sie in ihr Gemach«, bat sie Stryder und ging voran. Ihr Onkel bildete das Schlusslicht.
»Ich habe bereits jemanden nach Cornwall geschickt«, verkündete er leise. »Aber, um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass wir etwas von dort hören werden.«
Rowena seufzte und hielt für Stryder die Tür zu Joannes Gemach auf. Dann eilte sie um ihn herum zu dem großen Himmelbett und schlug die Felldecke zurück. Sie machte Stryder Platz, der die Bewusstlose aufs Bett legte.
»Warum sollten sie nicht antworten?«, fragte Stryder, als er sich wieder aufrichtete.
»Das wissen wir nicht«, meinte Rowena. »Elizabeth ist eine entfernte Cousine von mir. Sie hat als Kind fünf Jahre lang bei uns gelebt. Als sie sechzehn wurde, hat ihr Vater sie zurückgeholt, weil sie sich vermählen sollte.«
»Elizabeth war verheiratet?«, fragte Stryder erstaunt, während Rowena Joanne liebevoll zudeckte.
»Nein«, antwortete ihr Onkel an ihrer Stelle. »Ihr Verlobter brannte mit einer anderen durch, wir haben sie danach mehrere Jahre lang nicht mehr gesehen.«
»Sie war so traurig, als sie wieder zu uns kam«, erinnerte sich Rowena. »Stundenlang saß sie am Fenster und sprach mit niemandem. Es kam uns vor, als wäre sie innerlich zerbrochen. Doch eines Tages entschloss sie sich, wieder unter die Lebenden zurückzukehren.«
Stryder starrte sie mit tief gefurchter Stirn an. »Was war geschehen?«
»Weiß ich nicht. Sie hat nie darüber gesprochen. Nicht über ihre Familie, nicht über die Vergangenheit. Als hätte es eine Vergangenheit nie gegeben.«
»Wie bei meinem Bruder ...«
»Kit meint Ihr?«, fragte Rowena.
»Aye. Er war anfangs, als ich ihn aufnahm, ganz genauso. «
Rowena konnte sich selbst daran erinnern. Als sie ihn das erste Mal auf jenem Turnier wiedergetroffen hatte, war Kit verzweifelt und in sich gekehrt gewesen.
»Eigenartiger Zufall, nicht?«
Stryder sagte nichts. Seine Gedanken rasten. Tatsächlich erinnerte ihn dieses Verhalten an ein paar andere, die er kannte. Ihn selbst zum Beispiel. »Sagt mir, war Elizabeth je in Outremer?«
Rowena und ihr Onkel wechselten einen ratlosen Blick.
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Rowena. »Onkel?« »Ich weiß es nicht. Ihr Vater hat nie etwas erwähnt, als er sie vor ein paar Jahren wieder zu uns schickte.«
Rowena blickte mit schief geneigtem Kopf zu Stryder auf, der eine nachdenkliche Miene machte. »Was denkt Ihr?«
»Ich weiß nicht. Törichtes Zeug, nehme ich an.« Stryder wies mit dem Kopf auf Joanne. »Was ist mit ihr?«
»Sie wird schon wieder. Braucht jetzt nur ein wenig Ruhe.« Rowena zog die burgunderroten Bettvorhänge zu und führte die anderen aus dem Zimmer.
Im Gang herrschte jetzt weit mehr Betrieb. Leute eilten besorgt vor sich hin murmelnd vorbei.
Das
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