Nacht ueber den Highlands
gehabt hätte, dass du noch am Leben warst, ich hätte diese Festung dem Erdboden gleichgemacht, um dich dort herauszuholen.«
Er spürte Kits Tränen an seinem Hals. »Das weiß ich, Stryder. Jetzt schon.«
Stryder ließ ihn los, umklammerte dann seine schmalen Schultern und blickte ihm forschend ins Gesicht. »Ehrlich?«
»Wenn es anders wäre, dann wärst du längst tot. Von meiner Hand.« Der Blick, mit dem Kit ihn ansah, schnürte ihm das Herz ab.
Diese neue Seite an seinem Bruder verunsicherte Stryder. Er kannte Kit nur als einen schüchternen, unsicheren Menschen, nicht als wild entschlossenen und gefährlichen Kämpfer. »Wie viele hast du getötet?«
Kit machte sich los und schnürte das dunkelgrüne Lederarmband auf, das er immer am linken Handgelenk trug. Er rollte seinen weißen Ärmel zurück und zeigte Stryder die arabische Inschrift auf seinem Arm.
»Das sind zwölf Namen«, erklärte er ruhig. »Alle sind tot, bis auf dich.«
Stryder berührte die Namen, die er nicht lesen konnte und die die Sarazenen Kit auf den Arm tätowiert hatten. »Wann?«
»Ich habe sie getötet, bevor ich dich traf. Ursprünglich wollte ich nur nach Hause und niemanden außer dir umbringen. Ich bin zu Michael gegangen, weil ich hoffte, bei ihm Unterschlupf und Schutz vor Kalb al' Akrab zu finden, aber als er mich rauswarf, war mir klar, dass ich gar keine Wahl hatte, als meinen Auftrag zu erfüllen. Ohne eine sichere Zuflucht wagte ich nicht, gegen ihre Anweisungen zu handeln. Es gab Zeiten, in denen ich mir sicher war, dass man mich beobachtete. Ich fand auch tatsächlich immer wieder Warnungen, Notizen, die mir zugespielt wurden. Aber ich wusste nie, von wem sie kamen oder wer sie mir hinterließ.«
»Was war mit Cyril?«
Abermals wich Kit seinem Blick aus.
»Stand er auf deiner Liste?«
Kit schüttelte den Kopf. »Nein. Ihn habe ich getötet, weil er mich wiedererkannte.«
Das war unsinnig. Wieso sollte Cyril Kit kennen? Sie waren zusammen in einer Zelle gewesen. Er hätte Aquarius genauso wenig zu Gesicht bekommen können wie er, Stryder. »Woher sollte er dich kennen?«
Kit zuckte zurück, als hätte er einen Schlag erhalten. Er fuhr herum und eilte davon, bevor Stryder reagieren konnte.
»Kit?«
»Lass mich in Ruhe!«, brüllte er. »Ich will mich genauso wenig an diese Nacht erinnern wie du.«
Da fiel Stryder wieder ein, wie oft sie Cyril von einem der jüngeren Burschen in ihrer Zelle hatten fortziehen müssen. Ihm wurde speiübel.
»Sag bitte nicht, dass er -«
Kit fuhr zischend zu ihm herum. »Wage es ja nicht, weiterzusprechen! Und schau mich nicht so an!« Kit keuchte vor Erregung. »Fünf Jahre! Fünf lange Jahre habe ich nach eurer Flucht noch dort verbracht! Wage es ja nicht, du nicht und auch kein anderer, mir vorzuwerfen, was ich tun musste, um zu überleben! Du und deine feine Bruderschaft, ihr habt euch nie die Mühe gemacht, zurückzukommen, um auch uns zu befreien. Nie. Ihr wart viel zu sehr damit beschäftigt, andere herauszuholen. Was glaubst du, mit wie viel Häme uns das unsere Wärter jedes Mal mitteilten? Wenn ihr wieder irgendwelche anderen befreit hattet, bloß nicht uns. Wir haben gewartet und gewartet und gewartet, aber ihr seid nie gekommen, um uns zu befreien.«
»Uns?«
»Ja, uns«, zischte Kit wutentbrannt. »Ich war nicht der Einzige.«
Stryder schloss gequält die Augen. »Warum hast du mich dann nicht auch umgebracht? Warum mich verschonen und die anderen nicht?«
»Das wollte ich ja auch«, gestand Kit mit hohler Stimme. »An dem Abend in Canterbury, als du mich gerettet hast, als du mir das Zimmer in dieser Herberge neben dir bezahlt hast, da habe ich mich später in dein Zimmer geschlichen, um dir die Kehle durchzuschneiden.«
»Was hat dich davon abgehalten?«
»Du«, sagte er schlicht. »Weißt du noch? Du hattest einen dieser Alpträume und bist aufgeschreckt und hast meinen Namen gerufen, besser gesagt den von Aquarius.«
Stryder nickte. Er erinnerte sich an jene Nacht. Diesen Alptraum hatte er öfter, seitdem er wieder frei war. Es war der Traum, in dem Aquarius nach ihm rief und er versuchte, die Tür aufzubrechen, um ihm zu Hilfe zu kommen.
In jener Nacht, die Kit meinte, war Stryder aufgewacht und hatte Kit am Fußende seines Bettes erblickt. »Du sagtest, du hättest mich gehört und dir Sorgen gemacht.«
Kit nickte. »Ich habe den Dolch hinter dem Rücken versteckt, damit du ihn nicht siehst. Gott, du warst so vertrauensselig, während ich darauf
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