Nacht ueber den Highlands
stellen.
»Weißt du, wie einem die Frauenherzen am leichtesten zufliegen, Kit? Wenn man mit seinem Schwert umzugehen weiß.«
Kit zog amüsiert die Braue hoch.
Als Stryder die Bedeutung dieses Blicks aufging, schüttelte er belustigt den Kopf. »Ehrlich. Ohne Zweideutigkeiten.« Er stieß ein harsches Lachen aus.
Dann ließ er Kit am einen Ende des Platzes stehen, ging zu einer Strohpuppe, die am anderen Ende stand, und zog zwei Wurfmesser aus der Attrappe. Wieder bei seinem Bruder angekommen, reichte er ihm eins davon.
»Es gehört ein wenig Fingerspitzengefühl dazu, aber ...« Stryder warf seinen Dolch. Er blieb zitternd direkt unter der Herzgegend stecken. »Es ist ganz leicht, wenn man ein bisschen übt. Na, wie wär’s, willst du’s mal versuchen?«
Kit holte aus und warf das Messer, ohne richtig hinzuschauen. Es war ein unglaublich schneller Wurf.
Er traf die Puppe genau zwischen die Augen.
Stryder blieb der Mund offen stehen. Jedem anderen anwesenden Ritter ebenfalls.
»Anfängerglück«, behauptete Kit lässig.
Wieder musste Stryder an Damiens Vorwürfe denken.
War es möglich?
Stryder schaute erst das Messer an, dann seinen Bruder. »Bist du sicher, dass du mir nichts zu sagen hast?«
»Ja.«
Misstrauisch sah Stryder zu, wie Kit sich umwandte und zu seiner Laute zurückkehrte. Sein Bruder tat, als wäre das nichts Besonderes gewesen, doch Stryder wusste es besser. Man brauchte eine ganze Menge Übung, um ein Messer so werfen zu können.
Eine ganze Menge.
Aber wo und wann konnte Kit so etwas gelernt haben? Was verbarg er noch vor ihm? Welche überraschenden Talente?
Später an diesem Nachmittag saß Rowena mit ihrer Laute im großen Saal und sang und spielte vor kleinem Publikum. Es waren meist Minnesänger, Frauen, aber auch ein paar Männer, überwiegend solche, die sich bei ihrem Onkel einschmeicheln wollten. Die restlichen anwesenden Damen waren mit ihren Söhnen gekommen, weil sie nicht wollten, dass diese irgendwann in den
Krieg zogen. Sie schienen die Einzigen zu sein, die ihren Standpunkt, was Gewalt betraf, teilten.
Nun, zumindest war niemand gekommen, um sie zu verspotten.
Seltsamerweise fehlten ausgerechnet zwei von ihren Hofdamen, Elizabeth und Bridget. Sie nahm an, dass die beiden sich wieder einmal mit irgendwelchen Verehrern vergnügten.
Es wäre typisch für die beiden, und Rowena hatte sie deswegen noch nie gerügt. Dafür mochte sie ihre Gefährtinnen viel zu sehr.
Alle lauschten respektvoll, jedenfalls bis hinter ihr plötzlich eine Tür aufging, die tiefer ins Innere der Burg führte. Das versammelte Publikum schnappte kollektiv nach Luft. Ein paar Damen steckten sogleich die Köpfe zusammen und begannen aufgeregt zu tuscheln.
Rowena wandte sich um, um zu sehen, was die Leute so ablenkte. Es war Damien, wie sie zu ihrer großen Überraschung feststellte, der mit dreien seiner Männer den Saal betrat. Ein bis dato unerhörtes Vorkommnis.
Damien blieb unwillkürlich stehen, als er sah, welchen Aufruhr sein Kommen verursachte. »Vergebt mir«, sagte er ruhig zu Rowena. »Ich wollte Euch nicht unterbrechen.«
»Keine Ursache, Mylord. Ich kann -«
»Bitte, Rowena, spielt weiter. Ich bin doch extra deswegen gekommen. Ich würde gerne Eure Lieder hören.«
Zu Rowenas vollkommener Verblüffung nahm er mit seinen Männern in einer der hinteren Reihen Platz.
Vollkommen verunsichert und sich Damiens bohrender Blicke peinlich bewusst, begann Rowena erneut zu spielen. Sie versuchte seine Blicke, die sie trotz seines Gesichtsschleiers so deutlich spürte wie eine Berührung, so gut wie möglich zu ignorieren. Da war etwas an diesem Mann, was sie zutiefst verunsicherte, ja einschüchterte. Es war nicht nur die Tatsache, dass er sein Gesicht verbarg und dass sie keine Ahnung hatte, wie er aussah. Vielmehr schien es ihr, als umgäbe ihn etwas Finsteres, ja Dämonisches.
Rowena sang noch drei Lieder, um den Zyklus zu beenden. Ihr Publikum, einschließlich Damien, applaudierte höflich. Sie machte einen manierlichen Knicks, doch als sie sich wieder aufrichtete, zog eine Bewegung hoch oben auf der Galerie ihre Aufmerksamkeit auf sich.
Sie blickte auf, und zu ihrem Erstaunen stand dort Stryder und blickte mit seinen durchdringenden blauen Augen auf sie hinab.
Mit einem warmen Lächeln wich er zurück und verschwand aus ihrem Gesichtsfeld.
Ihr Herz machte einen Satz. Er war gekommen, obwohl er jede Art von Musik hasste, wie er ihr versichert hatte!
Ohne noch zu überlegen,
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