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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gab. Aber welche? Er fand keine Lösung, so sehr er sich auch anstrengte.
    Er warf einen Blick in die Kombüse, wo der Steward gerade aus einem riesigen Zweihundert-Liter-Kessel eine Kaffeekanne füllte. »Davy«, sagte er. »Wo ist Mr. Ollis Field?«
    »Abteil Nummer vier, Backbord, mit dem Rücken in Flugrichtung«, antwortete der Steward.
    Er ging den Gang entlang, mit geübtem Schritt auf dem schwankenden Boden sein Gleichgewicht haltend. Ihm fiel auf, daß die Oxenfords im Abteil Nummer zwei ziemlich bedrückt wirkten. Im Speisesaal schwappte der zum Magenschluß servierte Kaffee in den Untertassen, während draußen der Sturm immer heftiger wurde und die Maschine beutelte. Eddie durchquerte Nummer drei und nahm die Stufe zu Nummer vier.
    Mit dem Rücken zu ihm saß auf der Backbordseite ein etwa vierzigjähriger Mann mit Glatze, der an einer Zigarette zog und aus dem Fenster in die Dunkelheit starrte. Ein FBI-Agent sah in Eddies Vorstellung anders aus: Daß dieser Mann mit gezückter Pistole einen Raum voller Alkoholschmuggler stürmte, schien undenkbar.
    Field gegenüber saß ein jüngerer Mann, der viel besser gekleidet war und die Figur eines Ex-Sportlers besaß, der langsam Fett ansetzt. Das mußte Gordino sein. Sein Gesicht war aufgedunsen, seine Miene erinnerte an ein quengeliges, verwöhntes Kind. Ob der fähig ist, jemandem einen Bauchschuß zu verpassen? fragte sich Eddie und beantwortete die Frage gleich selbst: Ja, ich glaube schon.
    Eddie wandte sich an den älteren Mann. »Mr. Field?«
    »Ja?«
    »Der Captain hätte Sie gerne gesprochen. Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
    Field runzelte die Stirn. Ein Anflug von Resignation lag in seinem Blick. Er konnte sich denken, daß sein Geheimnis gelüftet worden war. Es ärgerte ihn, aber sein Blick verriet auch, daß es ihm letzten
    Endes gleichgültig war. »Selbstverständlich«, sagte er, drückte seine Zigarette in dem an der Wand befestigten Aschenbecher aus, löste den Sitzgurt und erhob sich.
    »Wenn Sie mir bitte folgen würden«, sagte Eddie.
    Als Eddie auf dem Rückweg durch das Abteil Nummer drei kam, sah er Tom Luther. Ihre Blicke kreuzten sich. In diesem Augenblick ging ihm ein Licht auf.
    Tom Luther sollte Frankie Gordino befreien.
    Seine Entdeckung verblüffte ihn dermaßen, daß er stehenblieb und von Ollis Field angerempelt wurde.
    Luther starrte ihn an, der Panik nahe. Er fürchtete offensichtlich, Eddie könne alles auffliegen lassen.
    »Entschuldigung«, sagte Eddie zu Field und ging weiter. Auf einmal war ihm alles klar. Frankie Gordino hatte aus den Staaten flüchten müssen, aber das FBI war ihm in England auf die Spur gekommen und hatte seine Auslieferung erzwungen. Man hatte beschlossen, ihn mit dem Clipper zu deportieren, und seine Komplizen hatten von der Sache Wind bekommen. Sie würden versuchen, Gordino von Bord zu bringen, bevor das Flugzeug die Vereinigten Staaten erreichte.
    Und nun kam Eddies Auftritt: Er sollte dafür sorgen, daß der Clipper vor der Küste von Maine zu Wasser ging. Dort würde dann ein Schnellboot auf sie warten. Man wollte Gordino aus dem Clipper holen und sich mit ihm aus dem Staub machen. In einer geschützten Bucht, aller Voraussicht nach auf der kanadischen Seite der Grenze, würde ein Wagen bereitstehen und ihn in ein sicheres Versteck bringen. Frankie Gordino wäre dem Arm des Gesetzes entronnen – dank Eddie Deakins Hilfe.
    Auf der Wendeltreppe zum Flugdeck, Field ein paar Schritte vorausgehend, empfand Eddie eine gewisse Erleichterung darüber, daß er endlich begriffen hatte, was gespielt wurde. Gleichzeitig packte ihn das Entsetzen: Wenn er seine Frau befreien wollte, mußte er einem Mörder zur Flucht verhelfen.
    »Captain, das ist Mr. Field«, sagte er.
    Captain Baker hatte sich die Uniformjacke übergezogen und saß mit der Funkbotschaft in der Hand hinter dem Konferenztisch. Das Tablett mit dem Abendessen war abgetragen worden. Die Mütze verdeckte das blonde Haar und verlieh dem Flugkapitän zusätzliche Autorität. Er sah zu Field auf, bot ihm jedoch keinen Platz an. »Ich habe hier eine Nachricht für Sie – vom FBI«, sagte er.
    Field streckte die Hand nach dem Papier aus, aber Baker rührte sich nicht.
    »Sind Sie ein Agent des FBI?« fragte der Captain.
    »Ja.«
    »Und Sie befinden sich gerade auf einer Reise im Dienst des Bureaus?«
    »Jawohl.«
    »Ihre Aufgabe, Mr. Field?«
    »Ich denke nicht, daß Sie das etwas angeht, Captain. Bitte geben Sie mir die Funkmeldung. Sie haben

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