Nacht über den Wassern
gleichmäßig zu atmen.
Dann stand er auf, schritt rasch durch die Tür ins Schlafzimmer und sagte: »Du meine Güte!«
Lady Monkford hielt mitten im Zimmer im Schritt inne, hob die Hand an den Mund und stieß einen leisen Schrei aus.
»Du meine Güte«, wiederholte Harry und gab sich leicht verwirrt. »Ich habe gerade jemanden aus Ihrem Fenster springen sehen.«
Sie fand ihre Stimme wieder. »Was in aller Welt meinen Sie?« fragte sie. »Und was machen Sie in meinem Schlafzimmer?«
Seiner Rolle gemäß rannte Harry zum Fenster und beugte sich hinaus. »Schon verschwunden«, stellte er fest.
»Bitte erklären Sie mir, was das alles bedeutet!«
Harry holte tief Atem, als wolle er seine Gedanken ordnen. Lady Monkford war etwa vierzig, eine leicht überspannt wirkende Dame in grünem Seidenkleid. Wenn er die Nerven behielt, konnte er mit ihr zurechtkommen. Er lächelte gewinnend und gab sich als offener, rugbyspielender Student – ein Typ, der ihr vertraut sein mußte – und erzählte ihr eine rasch erfundene Geschichte.
»Das war das Merkwürdigste, was ich je gesehen habe«, begann er. »Ich kam den Korridor entlang, als ein seltsamer Kerl aus diesem Zimmer herausspähte. Er sah mich und wich rasch wieder zurück. Ich wußte, daß es Ihr Schlafzimmer war, weil ich selbst versehentlich hineingeschaut hatte, als ich die Toilette suchte. Ich fragte mich, was der Bursche im Schild führte – er sah keineswegs wie einer Ihrer Diener aus, und bestimmt war er kein Gast. Als ich die Tür öffnete, sprang er aus dem Fenster.« Dann, als Erklärung für die noch offenen Laden der Frisiertoilette, fügte er hinzu: »Ich habe gerade in Ihrem Ankleidezimmer nachgesehen und fürchte, er war hinter Ihrem Schmuck her.«
Das war brillant, lobte er sich. Ich sollte wirklich für den verdammten Rundfunk arbeiten!
Sie legte die Hand an die Stirn. »Oh, wie entsetzlich!« hauchte sie.
»Sie sollten sich setzen«, riet Harry besorgt. Er führte sie zu einem kleinen rosa Sessel.
»Schrecklich!« flüsterte sie. »Wenn Sie ihn nicht verjagt hätten, wäre er noch hiergewesen, als ich hereinkam! Ich mag gar nicht daran denken! Ich fürchte, ich falle in Ohnmacht.« Sie griff nach Harrys Hand und umklammerte sie. »Ich bin Ihnen so dankbar!«
Harry unterdrückte ein Grinsen. Er hatte es wieder einmal geschafft!
Er dachte rasch weiter. Sie durfte keinen zu großen Wirbel machen. Am besten wäre es natürlich, wenn sie die ganze Angelegenheit für sich behielte. »Bitte, erzählen Sie Rebecca nichts davon«, flehte er sie an. »Sie neigt zu nervöser Überreaktion, und es würde sie vielleicht wochenlang ängstigen.«
»Mich auch«, entgegnete Lady Monkford. »Wochenlang!« Sie war zu erregt, darüber nachzudenken, daß die kräftige, sportliche Rebecca wohl kaum der Typ für nervöse Überreaktionen war.
»Sie werden wahrscheinlich die Polizei rufen müssen. Nur schade, daß das die Party stören, wenn nicht gar beenden würde«, fuhr er fort.
»Oje – das wäre ja furchtbar! Müssen wir sie denn hinzuziehen?« »Nun…« Harry verbarg seine Befriedigung. »Es kommt wohl darauf an, was der Schuft gestohlen hat. Sie sollten vielleicht erst einmal nachsehen.«
»O ja, natürlich.«
Harry drückte ihr ermutigend die Hand und half ihr hoch. Er begleitete sie zum Ankleideraum. Als sie die offenen Schubläden sah, schnappte sie erschrocken nach Luft. Harry führte sie fürsorglich zum Frisierhocker. Sie ließ sich darauf fallen und begann in ihrem Schmuck zu kramen. Nach einer kurzen Weile sagte sie: »Es sieht nicht so aus, als hätte er viel gestohlen.«
»Vielleicht überraschte ich ihn, ehe er dazu kam, überhaupt etwas einzustecken«, meinte Harry.
Sie sah ihre Halsketten, Armbänder und Broschen nun sorgfältiger durch. »Ich glaube, das haben Sie wirklich«, sagte sie schließlich. »Ich bin Ihnen so dankbar!«
»Wenn Ihnen nichts gestohlen wurde, brauchen Sie eigentlich mit niemandem darüber reden.«
»Außer natürlich mit Sir Simon.«
»Natürlich«, bestätigte Harry, obwohl er gehofft hatte, sie würde es nicht tun. »Sie könnten es ihm erzählen, wenn die Gäste gegangen sind. Dann würden Sie ihm die Party nicht verderben.«
»Welch eine gute Idee!« sagte sie dankbar.
Sehr zufriedenstellend. Harry war ungemein erleichtert. Er beschloß aufzuhören, solange er einen solchen Vorteil hatte. »Ich gehe jetzt lieber wieder hinunter«, meinte er, »dann können Sie sich ungestört von Ihrem Schrecken
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