Nacht über den Wassern
sie in den folgenden Tagen und Wochen erkannte.
Am Tag nach ihrer Verabredung in der Bibliothek mietete er einen Wagen und fuhr mit ihr an die Küste, wo sie im sanften Wind Sandwiches am Strand aßen und sich im Schutz der Dünen küßten.
Er hatte eine Suite im Hotel Midland, aber sie konnten es nicht riskieren, sich dort zu treffen, da Diana zu bekannt war. Hätte man sie gesehen, wie sie nach dem Mittagessen die Treppe zu den Zimmern hinaufgingen, würde die ganze Stadt es zur Teezeit bereits wissen. Doch der einfallsreiche Mark fand eine Lösung. Sie nahmen einen Koffer mit, fuhren zu dem Küstenstädtchen Lytham St. Annes und ließen sich als Mr. und Mrs. Alder ein Zimmer in einem Hotel geben. Sie aßen Lunch, dann gingen sie zu Bett.
Mit Mark machte die Liebe Spaß.
Beim ersten Mal wurde er zum Pantomimen, als er ihr vormachte, wie man sich vollkommen lautlos auszog, und sie mußte zu sehr lachen, als daß sie Scham empfunden hätte, während sie aus ihren Sachen schlüpfte. Sie machte sich keine Gedanken darüber, ob sie ihm gefallen würde: Ganz offensichtlich betete er sie an. Sie war nicht nervös, weil er so nett war.
Sie verbrachten den Nachmittag im Bett, dann beglichen sie die Rechnung, nachdem sie erklärt hatten, daß sie doch weiterreisen wollten. Mark bezahlte den ganzen Preis, auch für die Nacht, damit es zu keinem Ärger kam. Er setzte sie eine Station vor Altrincham ab, und sie kam dort mit dem Zug an, als hätte sie den Nachmittag in Manchester verbracht.
Das machten sie einen ganzen glücklichen Sommer lang.
Mark sollte Anfang August in die Staaten zurückkehren, um an einer neuen Show zu arbeiten, aber er blieb und schrieb Folgen für eine Serie über einen Amerikaner, der Urlaub in Großbritannien macht. Die Manuskripte sandte er wöchentlich mit dem neuen Luftpostdienst ab, den Pan American betrieb.
Obwohl sie wußte, daß die gemeinsame Zeit irgendwann für sie zu Ende ging, dachte Diana nicht zu oft an die Zukunft. Natürlich würde Mark eines Tages in die Staaten zurückkehren, aber morgen war er noch hier, und weiter wollte sie gar nicht denken. Es war wie mit dem Krieg, von dem jeder wußte, daß er schrecklich werden würde, aber nicht, wann er anfing; und bis es soweit war, konnte man ohnehin nichts tun, als einfach weiterzumachen und zu versuchen, die Zeit zu nutzen und zu genießen.
Am Tag nach der Kriegserklärung sagte er ihr, daß er nach Hause zurückkehren würde.
Sie saß im Bett, die Decke gerade bis unter den Busen hochgezogen, so daß ihre Brüste zu sehen waren: Mark liebte es, wenn sie so saß. Er fand ihre Brüste wundervoll, obwohl sie sie für zu groß hielt.
Sie unterhielten sich mit ernster Miene. Großbritannien hatte Deutschland den Krieg erklärt, darüber mußte sogar ein glückliches Liebespaar sprechen. Diana hatte schon das ganze Jahr den gräßlichen Konflikt in China verfolgt, und der Gedanke an Krieg in Europa erfüllte sie mit Angst. Genau wie die Faschisten in Spanien hatten die Japaner keine Skrupel, Bomben auf Frauen und Kinder abzuwerfen; und das Blutbad war grauenvoll gewesen.
Sie stellte Mark die Frage, die alle beschäftigte: »Was, glaubst du, wird passieren?«
Ausnahmsweise hatte er keine humorige Antwort. »Ich glaube, es wird furchtbar werden«, entgegnete er ernst. »Ich fürchte, Europa wird verwüstet. Vielleicht wird dieses Land überleben, weil es eine Insel ist. Ich hoffe es.«
»Oh!« flüsterte Diana. Plötzlich hatte sie Angst. Briten sagten so etwas nicht. Die Zeitungen waren voll Geschwätz über ruhmvollen Kampf, und Mervyn konnte den Krieg kaum erwarten. Aber Mark war ein Ausländer, und seine Meinung, die er auf diese ruhige amerikanische Art äußerte, klang erschreckend realistisch. Würde auch Manchester bombardiert werden?
Sie erinnerte sich, was Mervyn gesagt hatte, und wiederholte es: »Amerika wird früher oder später am Krieg teilnehmen.«
Mark erschreckte sie, als er heftig erwiderte: »Großer Gott, hoffentlich nicht! Das ist eine europäische Streitigkeit, die nichts mit uns zu tun hat. Ich verstehe ja, weshalb Großbritannien den Krieg erklärt hat, aber ich will verdammt sein, wenn ich gutheiße, daß Amerikaner sterben, weil sie das verdammte Polen verteidigen.«
So hatte sie ihn nie fluchen gehört. Manchmal, während sie sich liebten, keuchte er ihr derbe Worte ins Ohr, aber das war etwas anderes. Jetzt wirkte er zornig. Sie dachte, daß er vielleicht ein wenig Angst hatte. Sie wußte, daß
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