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Nacht über der Menschheit

Nacht über der Menschheit

Titel: Nacht über der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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nichts Besonderes gegen ihn, aber er geht mir aufs Gemüt. Hat eine seltsame Art, sich zu erregen, wenn er mal jemandem einen Befehl erteilen muß. Erinnert mich an meinen Onkel. Ja, der ist es, mit dem ich ihn vergleichen wollte.
    Ich mag Warshow nicht besonders. Wenn er jetzt hereinkäme, vielleicht würde ich ihn mit dem Brennstab berühren – nicht zu schlimm, gerade so, daß sein Fell ein wenig ansengt. Nur so aus Jux. Ich habe meinen Onkel auch oft geärgert, nur so zum Spaß.
    He, schreit Murff, bring Brennstab Zwei wieder in die Linie.
    Keine Angst, sage ich. Ich habe ja nicht das erste Mal mit diesen Babys zu tun.
    Ich bin gut geschützt, aber die Luft riecht komisch, so, als ob das Thorium sie ständig ionisiert, und ich frage mich, ob etwas nicht stimmt.
    Ich schwinge Brennstab Zwei herum und lasse das Thorium in den Reaktor fallen. Das grüne Licht flackert auf und zeigt mir an, daß ich gut getroffen habe; das heiße Zeug purzelt in den Reaktor hinunter und stößt wie verrückt Neutronen aus.
    Dann gibt Murff das Zeichen, und ich tauche mit dem ferngesteuerten Greifer wieder in den Vorrat ein, hole weiteren Brennstoff heraus.
    He, schreit er wieder, und dann gleitet Greifer Zwei plötzlich von mir weg. Er ist jetzt nicht beladen.
    Der lange Arm schwingt in der Luft herum, und ich sehe die kleinen Finger aus kunstvoll zusammengesetztem Metall, die vor wenigen Sekunden noch einen Klumpen Th-233 in den Klauen hielten. Sie scheinen nach mir zu greifen.
    Ich schreie. Murff schreit auch, als ich völlig die Kontrolle verliere und er versucht, hinter das Kontrollpaneel zu kommen, um die Greifarme zu betätigen. Aber ich stehe ihm im Weg, stocksteif, so daß er es nicht schafft. Er springt zurück und wirft sich flach auf den Boden als die großen mechanischen Arme durch die Schutzverglasung krachen.
    Ich kann mich nicht bewegen.
    Ich stehe einfach da. Die kleinen Finger berühren mich am linken Unterkiefer, und ich schreie. Ich brenne. Die Metallhand fährt an meinem Körper hinunter, berührt mich kaum, und es ist trotzdem, als fahre mir eine glühendheiße Rasierklinge durch das Fleisch.
    Es ist zu schmerzhaft, als daß man es spüren könnte. Meine Nerven versagen den Dienst. Sie liefern die Informationen nicht ans Gehirn.
    Jetzt schwappt der Schmerz über mich hinweg. Hilfe! Ich brenne! Hilfe!
    (»Hören Sie auf«, sagte Cullinan scharf, und Falks schreckliches Schreien stoppt. »Streichen Sie den Schmerz aus der Erinnerung und fahren Sie fort. Was geschieht, als Sie aufwachen?«)
     
    Stimmen. Ich höre über mir Stimmen, während ich aus der Schmerzwolke hervorkomme.
    Strahlenverbrennungen, sagt eine tiefe Stimme. Sie gehört Commander Warshow. Er muß überleben, sagt Warshow. Ich habe bis heute noch keinen Mann verloren. Zwanzig Jahre fliege ich schon, ohne jemanden verloren zu haben.
    Er ist ganz schön geröstet worden von dieser ferngesteuerten Hand, sagt eine dritte Stimme. Sie gehört Psych-Offizier Cullinan, glaube ich. Er hat die Kontrolle verloren, fährt Cullinan fort. Sehr seltsam.
    Ja, denke ich. Sehr seltsam. Ich habe eine Sekunde abgeschaltet, und schon wurde der Greifarm förmlich lebendig.
    Ich spüre den Schmerz, der meinen Körper auf und ab läuft. Die Hälfte meines Kopfes scheint zu fehlen, und mein Arm ist getoastet worden.
    Dann sagt Doc Sigstrom, wir werden es mit einem Nährbad versuchen müssen.
    Was ist das, fragt Warshow.
    Eine neue Technik, erklärt der Doc. Chemotherapeutische Inkubation, Eintauchen in Hormon-Lösungen. Man benutzt es auf der Erde bei schweren Strahlenverbrennungen. Ich glaube, es ist im Weltall noch nie ausprobiert worden, aber das sollte man bald tun. Er wird sich im freien Fall befinden – die Schwerkraft hat keinen störenden Einfluß.
    Wenn es ihn retten kann, sagt Warshow, bin ich dafür.
    Dann verschwimmen die Dinge wieder. Die Zeit vergeht – eine Ewigkeit in der Hölle, mit rasendem Schmerz fast überall im Körper. Hin und wieder höre ich Menschen sprechen, spüre, daß ich angehoben und von einem Ort zum anderen gebracht werde. Schläuche werden in mich hineingesteckt, um mich zu ernähren. Ich frage mich, wie ich aussehe – mit einem halb versengten Körper.
    Plötzlich: kühle Wärme. Ja, das klingt komisch, aber es ist warm und ernährt mich und ist dennoch kühl; es badet mich und zieht den Schmerz aus meinem Körper.
    Ich versuche nicht, die Augen zu öffnen, aber ich weiß, daß ich von Dunkelheit umgeben bin. Ich bin völlig reglos,

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