Nacht über der Menschheit
vier Banditen verschwanden in Richtung Dritte Avenue, und Katterson kroch vorsichtig aus seinem Graben; sichernd sah er sich nach allen Seiten um, dann trat er ganz ins Freie. Er wußte, daß er vorsichtig sein mußte – ein Mensch seiner Größe lieferte Nahrung für viele Münder.
Aus den Gebäuden kamen jetzt auch noch andere Menschen – alle mit dem gleichen Ausdruck des Schreckens auf ihren Gesichtern. Katterson beobachtete die benommen dahingehenden Skelette; einige schluchzten, die meisten aber hatten bereits keine Tränen mehr zu vergießen. Katterson öffnete und schloß die Fäuste – wütend versuchte er, der wachsenden Übelkeit Herr zu werden.
Ein dürrer Mann mit einem feingeschnittenen Äußeren stand jetzt auf der Plattform. Seine Stimme war wuterstickt.
»Brüder – jetzt geschieht es in aller Offenheit! Die Menschen haben sich von Gott abgewandt, und Satan hat sie zur Vernichtung geführt. Ihr alle habt gerade beobachten können, wie vier seiner Geschöpfe einen Mitmenschen vernichtet haben – das ist die schrecklichste aller Sünden.
Brüder, unsere Zeit auf der Erde ist fast abgelaufen. Ich bin ein alter Mann, ich erinnere mich an die Tage vor dem Krieg, und obwohl einige von euch mir nicht glauben werden, an die Tage, wo es noch genug Nahrung für jeden gab, als jeder einen Job hatte, als diese zerfallenen Gebäude groß und strahlend dastanden und es am Himmel von Flugzeugen wimmelte. In meiner Jugend bin ich kreuz und quer durch dieses Land gereist, bis zum Pazifik. Aber der Krieg hat alldem ein Ende gemacht, und das ist Gottes Strafe für uns. Unsere Tage sind gezählt, und bald werden wir alle vor unserem Richter stehen.
Tretet ohne Blut an den Händen vor Gott, Brüder. Die vier, die ihr eben habt sehen können, werden für ihr Verbrechen ewig in der Hölle brennen. Wer immer von dem unheiligen Fleisch ißt, das sie heute schlachteten, der wird ihnen Gesellschaft leisten. Aber hört mir einen Moment zu, Brüder! Jene von euch, die noch nicht verloren sind – ich bitte euch: Rettet euch! Lebt lieber ohne Nahrung, wie es die meisten von euch schon tun, als euch mit dieser neuen Nahrung zu verunreinigen – dem wertvollsten Fleisch von allem.«
Katterson starrte zu den Menschen, die ihn umstanden. Er wollte dem ein Ende machen – er hatte die Vision eines Kreuzzugs für Lebensmittel, einer Kampagne gegen Kannibalismus, sah wehende Fahnen, hörte Trommeln dröhnen, sah sich selbst als Führer des Kampfes. Einige Leute hörten dem alten Priester nicht mehr zu, andere waren bereits gegangen. Ein paar verspotteten den alten Mann, aber er ignorierte sie.
»Hört auf mich, hört mir zu, bevor ihr geht! Wir sind sowieso alle zum Untergang verurteilt, das hat der Herr uns klar zu verstehen gegeben. Aber überlegt, Leute – diese Welt wird in Kürze untergehen, aber eine weitaus großartigere Welt wird kommen. Verpaßt nicht eure Chance auf das ewige Leben, Brüder! Verkauft eure unsterbliche Seele nicht für einen Bissen verderbten Fleisches!«
Die Menge wurde kleiner, löste sich ziemlich schnell auf. Die Leute gingen so rasch wie möglich davon. Der Priester sprach weiter. Katterson stand auf Zehenspitzen und reckte seinen Hals hoch über die Menge hinaus und starrte nach Osten. Sein Blick ging einen Moment suchend umher, dann wurde er blaß. Vier unheilvolle Gestalten kamen mit entschlossenen Schritten die verlassene Straße entlang.
Fast jeder hatte sie jetzt gesehen. Nebeneinander marschierten sie in der Mitte der Straße, der größte trug einen leeren Sack. Hastig liefen die Leute in alle Richtungen davon, als die vier Gestalten an die Ecke 14. Straße und Vierte Avenue kamen. Nur Katterson und der Priester standen noch da.
»Sie sind als einziger noch geblieben, junger Mann. Haben Sie sich schon besudelt oder harrt Ihrer noch das Himmelreich?«
Katterson ignorierte die Frage. »Kommen Sie da 'runter, alter Mann«, schnappte er. »Die Mörder sind wieder da. Kommen Sie, verschwinden wir hier, bevor sie da sind.«
»Nein. Ich habe vor, mit ihnen zu sprechen, wenn sie kommen. Aber retten Sie sich, junger Mann – retten Sie sich, solange Sie es noch können.«
»Man wird Sie umbringen, Dummkopf!« flüsterte Katterson rauh.
»Wir sind sowieso alle verloren. Wenn mein Tag gekommen ist, so bin ich bereit.«
»Sie sind verrückt«, sagte Katterson. Die vier Männer waren jetzt in Hörweite. Katterson warf einen letzten Blick auf den alten Mann, dann rannte er über die Straße
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