Nacht über der Menschheit
in ein Gebäude hinein. Ein Blick zurück sagte ihm, daß er nicht verfolgt wurde.
Die vier Mörder standen unter der Plattform und hörten dem alten Mann zu. Katterson konnte nicht verstehen, was der Alte sagte, aber er gestikulierte mit den Armen, während er sprach. Die Männer schienen aufmerksam zuzuhören. Katterson starrte hinüber. Er sah, daß einer der Männer etwas zu dem Alten sagte, daß dann der mit dem Sack auf die Plattform kletterte. Ein anderer warf ihm ein blankes Messer zu.
Der Schrei war laut und durchdringend. Als Katterson wieder wagte hinauszusehen, stopfte der große Mann gerade den Körper des Priesters in den Sack. Katterson beugte das Haupt. Die Fanfarenklänge verstummten – ihm wurde bewußt, daß Widerstand unmöglich war.
Katterson eilte durch die Stadt zu seiner Wohnung. Die Blocks glitten vorbei, während er automatisch einen Fuß vor den anderen setzte. Drei Kilometer mußte er durch Schutt und verlassene Ruinen zurücklegen. Eine Hand hielt er an seinem Messer, und sein Blick ging ständig von einer Seite zur andern; hier und da bemerkte er huschende Bewegungen, wenn Leute sich zwischen den Trümmern vor ihm versteckten. Die vier Gestalten, eine davon mit einem Sack, schienen hinter jedem Laternenpfahl zu lauern.
Er bog in den Broadway ein, nahm eine Abkürzung durch den Stumpf des ehemaligen Parker-Buildings, des größten Gebäudes der westlichen Welt; sein verstümmelter Rumpf war alles, was davon geblieben war. Katterson lief durch die Reste der ehemals größten Empfangshalle der Welt und blieb plötzlich stehen. Ein kleiner Junge saß auf einer Stufe vor dem Gebäude und kaute an einem Stück Fleisch. Die Haut über Magen und Rippen spannte sich, letztere waren deutlich zu sehen. Seine Übelkeit hinabwürgend, fragte Katterson sich, was für Fleisch das wohl sein mochte.
Dann lief er weiter. Als er die 44. Straße passierte, huschte hinter ihm eine knochige Katze über den Weg und verschwand hinter einem Aschehaufen. Katterson mußte an die Geschichten denken, die er über die Great Plains gehört hatte, wo riesige Katzen früher ungehindert umhergestreift sein sollten. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.
Die Sonne versank jetzt am Horizont, und New York wurde wieder zu einer grauen und schwarzen Stadt. Am Spätnachmittag schien die Sonne bereits nicht mehr – sie verschwand fast hinter den gigantischen Schutthügeln und überschüttete die Ruinen von New York mit einem geisterhaften Glühen. Katterson überquerte die 44. Straße und wandte sich seinem Haus zu.
Bis zu seiner Wohnung war es ein mühsamer Aufstieg – der Fahrstuhl funktionierte schon lange nicht mehr. Schließlich stand er in der Dunkelheit vor seiner Tür und suchte einige Sekunden nach der Türplatte. Aus der Wohnung hörte er ein Lachen, und der Geruch von Essen kam aus der Tür und traf ihn wie ein Hammerschlag. Seine Kehle begann konvulsivisch zu arbeiten, und er wurde wieder an den dumpfen Schmerz erinnert, aus dem sein Magen nur noch bestand.
Katterson öffnete die Tür. Der Geruch nach Essen erfüllte den kleinen Raum. Er sah, wie Barbara totenblaß aufsah, als er eintrat. In seinem Stuhl saß ein Mann, den er ein oder zweimal bisher getroffen hatte – ein fast kahlköpfiger, aber vollbärtiger Mann namens Heydahl.
»Was geht hier vor?« fragte Katterson.
Barbaras Stimme klang seltsam belegt. »Paul, du kennst doch Olaf Heydahl, nicht wahr? Olaf, Paul?«
»Was geht hier vor?« wiederholte Katterson.
»Barbara und ich haben gerade etwas gegessen, Mr. Katterson«, sagte Heydahl mit voller Stimme. »Wir dachten uns, daß Sie hungrig sind, und haben etwas aufgehoben.«
Der Geruch war überwältigend, und Katterson hatte das Gefühl, zusammenbrechen zu müssen. Barbara wischte sich ständig die Stirn mit einer Serviette ab, Heydahl sah abwartend auf Kattersons Stuhl.
Mit drei schnellen Schritten durchquerte Katterson den Raum und riß die Tür zu der kleinen Einbauküche auf. Auf dem Ofen brutzelte ein Stück Fleisch. Katterson sah erst zu dem Fleisch, dann zu Barbara.
»Woher hast du das?« fragte er. »Wir haben kein Geld.«
»Ich ... ich ...«
»Ich habe es gekauft«, sagte Heydahl ruhig. »Barbara erzählte mir, wie wenig Sie zu essen haben, und da ich mehr besaß, brachte ich als Geschenk ein paar Stücke mit.«
»Ich verstehe – ein Geschenk. Und der Haken daran?«
»Wieso, Mr. Katterson. Erinnern Sie sich, daß ich Barbaras Gast bin.«
»Ja, aber erinnern Sie sich, daß
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