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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Geographie wußte er Bescheid.«
    »Darum handelt es sich doch nicht, Ball. Es handelt sich…« Das Haustelefon im Lehrerzimmer schlug an. Ball ging an den Apparat, grinste und übermittelte: »Teacock, Missis Holland bittet Sie.«
    Teacock erhob sich sofort, denn er pflegte sich immer so zu verhalten, wie er es selbst von seinen Schülern erwartete, und ging eilenden Schrittes zum Rektorzimmer. Die Sekretärin im Vorzimmer hatte keine Erläuterung zu geben, sondern sagte lediglich: »Bitte.«
    Teacock trat in den einfachen Raum ein, in dem die Rektorin ihre Arbeiten erledigte, am Schreibtisch, zwischen Büchern und Akten. An der Wand hingen einige Schülerzeichnungen, an einem Ehrenplatz der Entwurf Queenies für einen Fries im Festsaal.
    Die Rektorin stand hinter ihrem Schreibtisch. Als Teacock die Tür hinter sich geschlossen hatte, bat sie ihre beiden Besucher, Joe King und Theodore Teacock, Platz zu nehmen. Teacock hatte den Eindruck, daß sein Hemdkragen etwas zu eng geraten sei, und streckte daher den Hals um einen halben Zentimeter. Er ließ sich nieder, auch die Rektorin setzte sich. King blieb stehen.
    »Ich habe nur zwei kurze Fragen, Mister Teacock«, sagte er, »an deren Beantwortung meinerseits ein berechtigtes Interesse besteht. Erstens: Wer hat die insgesamt fünfzig Dollar im Umschlag, die Sie in der Schublade des Lehrertisches der 12. Klasse hatten liegenlassen, in den Raum der 7. Klasse gebracht? – Zweitens: Waren Sie in der Lage, zu beobachten, was der Betreffende in Klassenraum 7 mit dem Umschlag und seinem Inhalt gemacht hat?«
    Teacock feuchtete die Lippen mit der Zunge an.
    »Joe… Mister King! Ihre Fragen sind eine Art Überfall. Sie gestatten, daß ich mich in die überraschende Lage erst hineinfinde.« Er schaute auf Mrs. Holland. »Wenn ich die Anspielungen recht verstanden habe, geht es um den Diebstahl vor sieben Jahren. Was gibt es dazu noch zu fragen?«
    »Ich habe Ihnen das soeben mitgeteilt«, antwortete Joe King, obgleich Teacock den Blick auf die Rektorin gerichtet hielt. »Wenn Sie meine Fragen, die ich aus berechtigtem Interesse stelle, hier nicht zu beantworten wünschen, Mister Teacock, bin ich gezwungen, andere Wege zu gehen.«
    »Soll das eine Drohung sein?«
    »Ich spreche von Rechts wegen.«
    »Ich verstehe das alles nicht.«
    »Mister Teacock, Sie hatten vierzig Dollar in Scheinen und zehn Dollar in alten kalifornischen Golddollarstücken in einem Umschlag in der 12. Klasse in die Schublade des Lehrertisches gelegt, und zwar in der vierten Stunde. Sie haben in meinem Prozeß ausgesagt, daß dieser Umschlag mit diesem Geld für die fünfte Stunde am entsprechenden Platz in der 7. Klasse deponiert war. Also muß der Umschlag mit dem Geld in der Mittagspause aus der 12. in die 7. Klasse gebracht worden sein. Wer hat das getan? Sie selbst oder jemand in Ihrem Auftrag? Ich sage Ihnen im voraus, daß mir bereits bekannt ist, wen Sie beauftragt hatten.«
    »Den Ordner der 12. Klasse, Harold Booth, und zwar weil ich vergessen hatte, den Umschlag mitzunehmen, und mir dies gleich zu Beginn der Pause einfiel. Ich war aber in der Pause mit Ball verabredet, und daher holte ich mir den Umschlag nicht selbst, sondern beauftragte Harold, der mir gerade in den Weg lief und als Ordner für einen solchen Auftrag auch geeignet schien. Ist Ihnen damit gedient, Mister King?«
    »Ja. Wollen Sie mir bitte auch die zweite Frage beantworten?
    Konnten Sie kontrollieren, was Harold Booth mit dem Umschlag und dem Inhalt getan hat, insbesondere, was er etwa in dem Klassenzimmer 7 damit getan hat?«
    »Wie soll ich denn! Das war doch ganz unmöglich. Ich war mit Ball im Lehrerzimmer im Gespräch und kam erst wenige Minuten vor Beginn der Stunde zu dem Klassenraum 7. Da ich der Klasse, der Sie damals auch angehört haben, im Geschichtsunterricht etwas aus der Geschichte unseres Geldes und über das heute gültige Geld mitteilen wollte, dachte ich den Umschlag aus der Schublade zu ziehen, fand ihn nicht, sah ihn aber dann zu meiner großen Überraschung, Mister King, zu meiner wirklich großen Überraschung in Ihrer Hand! Der Umschlag enthielt ganz neue Scheine und die alten Golddollarstücke, so, wie dies für den Unterricht am geeignetsten erschien.«
    »Ganz recht. Ich danke Ihnen, Mister Teacock.«
    »Ja, stop, King. Nun gestatten Sie auch mir eine Frage! Wie sind Sie zu dem Umschlag gekommen?«
    »Ich hatte ihn, wie ich in meinem Prozeß immer und immer wieder ausgesagt habe – das dürfte Ihnen

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