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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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stillschweigend Queenies Wunsch.
    Harold Booth kam herein.
    Da er nicht betrunken war und sich aufrecht hielt, machte er einen ansehnlichen Eindruck. Seine rechte Hand war kunstgerecht verbunden und hing in der Schlinge. Seine Züge waren magerer als früher und hatten einen grauen Schimmer. Er hatte aber saubere Kleidung an, den Cowboyhut auf dem Kopf. Als er Queenie sah, verbarg er seine Überraschung nicht, doch hätte niemand von unangenehmer Überraschung sprechen können.
    »Nehmen Sie Platz, Mister Booth. Ich danke Ihnen, daß Sie nun doch gekommen sind. Mister Teacock ist dringend an einer Aussprache mit Ihnen gelegen.«
    »Ich bin bereit dazu, Missis Holland. Wenn ich irgend etwas nützen kann.«
    Das war die tönende, sichere Stimme.
    Queenie schloß einen Augenblick die Augen, um wieder ganz über sich Herr zu werden.
    Theodore Teacock wurde gerufen. Auch er wunderte sich über Queenies Anwesenheit, schien aber ebenfalls damit einverstanden, sogar zufrieden, wenn sein Mienenspiel richtig aussagte, und das tat es bei Theodore Teacock stets.
    »Booth«, rief er, »endlich! Nun sagen Sie mir bloß – worum hatte ich Sie gebeten, als ich Ihnen damals den Umschlag gab, in dem das Geld steckte?«
    »Sie hatten mich gebeten, den Umschlag in die 7. Klasse zu bringen.«
    »… und ihn dort in die Schublade des Lehrertisches zu legen.«
    »Daran kann ich mich nicht erinnern, Mister Teacock. Den Umschlag in die 7. Klasse bringen, so sagten Sie.«
    »Das kann sein, Booth. Da es sich um einen Auftrag von mir handelte, war es ja wohl selbstverständlich…«
    »Es war selbstverständlich, Mister Teacock, daß ich den Umschlag auf den Lehrertisch legte. Die Schublade – das war nicht selbstverständlich.«
    »Ich fragte Sie doch, ob Sie meinen Auftrag ausgeführt hätten.«
    »Das hatte ich nach bestem Wissen und Gewissen. Ich hatte den Brief auf den Lehrertisch in der 7. Klasse gelegt. Die Klasse war noch ganz leer. Wer den Brief dann auf Joe Kings Platz geschafft hat, er selbst, wie auch der Richter trotz allen seinen Leugnens annahm, oder der große Unbekannte, das kann ich natürlich auch nicht sagen.«
    »Himmel, das können Sie auch nicht sagen. Der Brief lag sichtbar…«
    »… auf Ihrem Lehrertisch, Mister Teacock.«
    »Das hätten Sie also in dem Prozeß…«
    »… hätte ich in dem Prozeß ausgesagt, Mister Teacock. Ich wurde damals nicht als Zeuge vernommen. Ich habe die Tatsache aber inzwischen bei Mister Ed Crazy Eagle zu Protokoll gegeben. Heute morgen.«
    »Sie haben…?«
    »Ja, das habe ich getan. Ich hielt es für richtig. Es kann ja sein, daß der Prozeß wieder aufgerollt wird.«
    Theodore Teacocks Gesicht wirkte abgestorben. Es war nichts mehr darin von dem Lebenssaft des Herrscherbewußtseins, mit dem er noch vor wenigen Jahren seine Schüler rücksichtslos regiert hatte. »Da… kann… kann ich wohl wieder gehen. Ich habe Stunde in der 11. Klasse.«
    Die Rektorin genehmigte, Teacock verabschiedete sich.
    Harold Booth wandte sich an Queenie. »Missis King, haben Sie noch einen Moment Zeit? Ich habe Ihnen etwas zu sagen, und hier ist es besser möglich als anderswo.«
    Queenie blieb stumm und stumpf.
    »Sprechen Sie, Booth.«
    Die Rektorin sah Harold mit ihren strengen Augen an. Er schaute zu Boden und leckte sich die Lippen, als ob sie zu spröde geworden seien.
    »Nehmen Sie Platz, Booth.«
    »Danke. Ich glaube, im Stehen geht es besser. – Missis King, als ich heute auf dem Gericht war, um über den verhängnisvollen Briefumschlag mit Teacocks Geld meine Aussage zu machen, da habe ich gehört, daß Sie Anzeige erstattet haben wegen Pferdediebstahls. Sie haben Äußerungen gemacht, die auf einen Verdacht gegen mich hinauslaufen. Ich habe aber wirklich nicht Ihre Pferde gestohlen. Tatsächlich nicht. Schließlich haben wir ja selbst Pferde auf der Booth-Ranch. Ich habe mich in der Nacht vorher vielleicht ungeschickt gegen Sie benommen, Missis King, und das tut mir leid. Ich weiß nicht, ob Sie mir verzeihen können. Ich war ein wenig angetrunken. Das durfte nicht sein. Aber nur ein wenig, und es geht wohl mit einer Geldstrafe ab. Ich habe das auch zu Protokoll gegeben. Ihr Mann hatte Sie aus dem Haus ausgeschlossen und heulte und polterte darin, und Sie standen draußen in der kalten Nacht. Ich habe das gesehen und gehört, und ich wollte Sie zu uns herüberholen, damit Sie des Nachts ein Dach über dem Kopf hätten! Nicht wahr? Ich hatte die beste Absicht, aber vielleicht kam das nicht ganz

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