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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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klar heraus in der Nacht.«
    Harold Booth machte eine Pause.
    Queenie blieb stumm, mit ihrem dumpfen Ausdruck der Unterliegenden.
    »Sie haben mich damals mißverstanden, Missis King. Obwohl ich doch gleich sagte, Sie sollten nicht die ganze Nacht draußen stehen, sondern mitkommen. Aber vielleicht haben Sie gerochen, daß ich getrunken hatte – das hätte nicht sein sollen –, und Sie haben furchtbare Angst vor mir gehabt. Als ich zu Ihnen herantrat, haben Sie mich gleich mit dem Messer an die Wand genagelt, ohne überhaupt vorher ein Wort zu sagen. Sie waren ganz verwirrt. Nachher sind Sie in die Koppel gelaufen und haben mit dem Hengst den Sprung über den Koppelzaun gemacht.
    Tatsächlich, es war ein grandioser Sprung des Hengstes, sogar mit Reiter, nicht wahr? Die Koppel ist für solche Tiere einfach nicht hoch genug umzäunt. Das erklärt alles, nicht wahr? Wahrscheinlich wollte der Schecke auf den Dunkelbraunen los, der draußen angepflockt stand. Die beiden Hengste haben einen Haß aufeinander und haben ja auch miteinander gekämpft. Damit erklärt sich das Ausbrechen des Dunkelbraunen. Die Stuten gehen natürlich mit den Hengsten. Ich wollte Ihnen das erklären, auch Ihnen ganz persönlich, Missis King, denn es liegt mir heute noch viel daran, was Sie über mich denken. Deshalb bin ich so froh über diese Möglichkeit, Sie hier in Ruhe zu sprechen. Auf unseren Ranches ist ja die ganze Luft ein Gift. Ich gehe deshalb jetzt auch zeitweilig weg, zu einem von meinen Schwagern, dann kann der Wind die Luft erst wieder reinigen. Ich habe auf dem Gericht ausgesagt und mitgeteilt, wo ich zu erreichen bin. Es besteht keine Verdunkelungsgefahr.«
    »Wo ist der Schecke? Wo ist die zweite Stute?« preßte Queenie heraus.
    »Liebe Missis King, woher soll ich das wissen! Aber ich wünsche Ihnen von Herzen, daß der Schecke bald wieder gesichtet und eingefangen wird; er ist ein prächtiges, unvergleichliches und sicher sehr teures Tier. Und die Stute gibt ihm nicht viel nach. – Ja, das wollte ich Ihnen also sagen. Bill Temple bringt mich jetzt mit seinem Dienstwagen weg. Und richten Sie Ihrem Mann aus, er solle sich seine Hirngespinste aus dem Kopf schlagen. Ich habe den Umschlag nicht auf seinen Platz gelegt, wie er öffentlich behauptet, und ich habe auch seine Pferde nicht aus der Koppel gejagt. Er soll sich aber zusammennehmen und seine junge Frau nicht wieder des Nachts aus dem Hause aussperren, während er drinnen heult und poltert.«
    »Was sind Sie für ein Lump geworden, Harold, was für ein Lügner… und so geschickt im Lügen…« Queenie ließ sich von Frau Holland hinausführen, da ihr übel geworden war. Sie erbrach das Mittagessen, das sie eben zu sich genommen hatte, und da es sie immer weiter würgte, erbrach sie unter quälenden Krämpfen Wasser.
    Margot, die bald darauf kam, bettete sie und gab ihr leichte Beruhigungs- und Stärkungsmittel. Queenie schlief für eine Stunde ein.
    Nachmittags brachte Margot sie mit ihrem Wagen zurück. Queenie hatte eine Bitte an Margot. Sie schrieb zu Hause noch einen Brief, nur wenige Worte, und gab ihn Margot mit, die ihn auf dem Postamt in der Agentursiedlung aufgeben wollte.
    »Wegen des Dunkelbraunen wird Eivie kommen«, versprach Margot. »Er ist so gut ein Tier- wie ein Menschenarzt. Die Bißwunde sieht übel aus.«
    »Es sieht überhaupt übel aus, Margot. Harold ist ein großer Schuft geworden, auch wenn ihr es nicht wahrhaben wollt.«
    Als Margot Crazy Eagle sich verabschiedet hatte und die Fahrt fortsetzte, schlich Queenie in ihr Haus. Sie hatte erst daran gedacht, sich auszuruhen, aber dann kamen die Gedanken wie Vögel mit spitzen Schnäbeln. So raffte sie sich auf, fütterte die weißfelligen, helläugigen Kaninchen, versorgte den Dunkelbraunen mit einem Rest Wasser und ging dann mit zwei Eimern zu dem Brunnen der Booth-Ranch, um wieder Wasser zu holen. Es zeigte sich niemand von der Familie.
    Queenie erfuhr in den nächsten Tagen, daß Harold seine Absicht ausgeführt und die Reservation verlassen hätte, und sie hoffte, daß er lange fortbleiben und es sich bei seinen Verwandten mehr oder weniger wohl sein lassen würde. Mit neuen Angriffen von seiner Seite rechnete sie in den nächsten Wochen nicht. Sie blieb daher auf ihrer Ranch. Sie hatte das Gefühl, ihrem Mann dort näher zu sein als im Schulinternat, und sie fürchtete sich vor dem harmlosen Geplauder der Mitschüler im Wohnheim, deren kleine Sorgen ihr so fern gerückt waren. Sie hätte Benzin,

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