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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Nachbar.
    Die Fahrt war beendet. Die Gefangenen wurden ausgeladen. Die scharfen polizeilichen Vernehmungen begannen sofort.
    Joe war als erster an der Reihe, und das war ihm lieb so. Er gab alles zu, was man ihm vorwarf, und nahm nach der Absprache mit seinem Schwager auch noch vieles auf sich, was andere getan hatten. Den jungen schwerverletzten Burschen und den Kranken konnte er ganz entlasten. Am Schwager blieb nicht mehr hängen, als was diesem vielleicht fünf oder sechs Tage Haft und damit, gemessen an seinem sonstigen Lebensstandard, eine gute Verpflegung einbringen konnte.
    Stonehorn hielt sich nur noch mit Mühe aufrecht, aber er zwang sich dazu, weil er die Erlaubnis erhielt, für seine Stammesgenossen zu dolmetschen. Zwar war er der am schwersten Belastete von allen, aber sein ›volles Geständnis‹ das die Polizei als Wirkung der Knüppel betrachtete, und seine präzise juristische Ausdrucksweise machten Verhör und Protokoll um so viel leichter, daß Bedenken zurückgestellt wurden. Joe scheute sich gar nicht, als Dolmetscher alle Aussagen auf die seinen abzustimmen und für die anderen das Bestmögliche herauszuholen. Jeder Indianer produzierte ein so schlechtes Englisch, daß der Dolmetscher in Anspruch genommen wurde.
    Nach Abschluß der Verhöre, am frühen Morgen, wurden die Verhafteten entlassen, um erst später zum Gerichtstermin als Angeklagte oder, soweit erforderlich, als Zeugen herangeholt zu werden. Joe King kam auf gerichtliche Anordnung in Untersuchungshaft. Er überlegte, ob er Queenie benachrichtigen lassen sollte. Aber er hatte seinen Schwager und alle anderen, die dafür in Frage kamen, bereits gebeten, das nicht zu tun, und nun wollte er auch selbst davon abstehen. Wie er vernommen hatte, würde ein Schnellverfahren gegen alle Angeklagten vor einem neuen, Joe noch unbekannten Richter in New City stattfinden. Bei der Ungewißheit des Strafmaßes – eines hohen Strafmaßes, wie Joe nach dem Verhör annahm – war es genug, wenn Queenie erst das Urteil und damit sofort erfuhr, ob sie ihren Mann je wiedersehen würde. Als ein ehemaliger Gangster, der sich von der Bande getrennt hatte, mußte Joe damit rechnen, im Gefängnis von den Mitgefangenen verfolgt zu werden; auf den Schutz der Gefängnisverwaltung konnte ein Mann wie er nicht rechnen.
     
    Queenie war allein in diesen Tagen. Sie schlief nicht viel, aber sie besuchte regelmäßig die Schule.
    Ihr müdes Gesicht fiel allmählich allen auf.
    Mrs. Holland holte Queenie eines Tages nach dem Essen in das Rektoratszimmer.
    »Queenie, was ist mit Ihnen?«
    »Der Schecke ist weg… und eine Stute.«
    »Eure Pferde, ja. Wie ist das gekommen?«
    »Herausgelassen… fortgejagt… vielleicht gestohlen…«
    »Kind! Wer sollte…«
    »Harold Booth. Kein anderer hat es getan! Mein Mann ist auf der Suche… nach…«
    »Nach…?«
    »Nach den Pferden.«
    »Wir sind auf der Suche nach Harold Booth. Mister Teacock fällt körperlich zusammen bei der Vorstellung, daß Ihr Mann glaubt, Theodore Teacock habe unter Eid eine falsche Aussage gemacht, vielleicht sogar eine wissentlich falsche Aussage! Teacocks Anstellung als Lehrer, seine Pension, seine gesamte Existenz stehen auf dem Spiel. Er will die Sache im Vergleich mit Aussagen von Harold Booth klären, aber Harold reagiert auf kein Schreiben, weder auf ein privates noch auf ein Schreiben der Schule.«
    »Ich habe Anzeige wegen Pferdediebstahls gegen Unbekannt erstattet«, sagte Queenie.
    »Ich werde an den Vater schreiben, an Isaac. Vielleicht hat er doch noch Gewalt über seinen Sohn. Harold war ein so guter Schüler, ein so ordentlicher Mensch. Es bleibt unfaßlich, daß er zum Trinker geworden ist. – Wollen Sie nach Hause fahren, Queenie, oder sich ins Krankenzimmer legen? Margot Crazy Eagle kommt heute wegen ein paar kleiner Sachen ins Internat – ein Schüler hat sich den Daumen verstaucht oder gebrochen und dergleichen.«
    »Ich möchte lieber im Unterricht sein.«
    »Dann warten Sie bei mir solange. Ich nehme Sie dann mit in Ihre Klasse; ich habe ja die nächste Stunde.«
    Queenie blieb auf dem Stuhl mit Armlehnen sitzen. Die eintretende Ruhe im Zimmer währte jedoch nur wenige Minuten. Die Sekretärin klopfte und meldete: Mister Harold Booth – ob er Missis Holland ein paar Minuten sprechen könne.
    Die Rektorin blickte fragend auf Queenie.
    »Ja«, sagte diese, »das liebste ist mir, wenn ich dabeisein kann. Wenn Sie das erlauben.«
    »Ich lasse bitten.« Mrs. Holland gewährte

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