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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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er arbeitslos, verdiente sich nur da und dort mit Gelegenheitsarbeiten, die unter Tarif bezahlt wurden, das tägliche trockene Schwarzbrot und konnte nicht bei Frau und Kindern wohnen, durfte sich eigentlich überhaupt nicht in New City sehen lassen, weil seine Familie mit einem arbeitsfähigen Vater und Ehemann zusammen keinerlei Unterstützung erhalten hätte. Sein Temperament war anders als das seiner Frau. Er war verbittert und schon grauhaarig. Sicher hatte er Margret und die Kinder wieder einmal heimlich besucht und nun auf nüchternen Magen den spendierten Branntwein getrunken.
    »Mein Hund frißt, was ich ihm gebe!« brüllte der Beschuldigte, der Arbeit hatte und die andern freihielt, auf englisch. »Es ist mein Hund!«
    »Du gibst deinem Hund, was ich nie zu essen bekomme«, und schon schlug der von Bier und Branntwein auf nüchternen Magen völlig um den Verstand gebrachte Mann dem anderen ein leeres Glas an den Kopf.
    Ringsumher wurde spöttisch gelacht, aber das Lachen ging bald in allgemeines Gebrüll über, denn die beiden Indianer bearbeiteten sich bereits mit Stühlen, und, als diese zerbrachen, mit Stuhlbeinen, und die nächstsitzenden Gäste waren von der sinnlosen Schlägerei gefährdet. Der Hund, eine magere Kreatur von unentwirrbarer Mischrasse, bellte. Drei weitere Indianer waren schon aufgesprungen und suchten die beiden Betrunkenen so rasch wie möglich auseinanderzubringen, ehe sie sich nach den Gesetzen der weißen Männer strafbar machten. Ohne gewaltsames Zugreifen war es nicht möglich, die beiden zu trennen, und die Schlägerei dehnte sich dabei auf unglückliche Weise aus. Die meisten der Umsitzenden dachten nicht mehr an den Ursprung des Streits, sondern jeder, der sich, sein Bier oder seinen Whisky bedroht glaubte, schlug um sich. Dabei wandelten sich auf einmal die Fronten, und die Indianer wurden von den zahlreicheren Weißen in der Ecke zusammengedrängt.
    Schrille Pfiffe ertönten.
    Joe hatte vor allem seinen Schwager und seinen Schulfreund im Auge und jenen verwaisten Siebzehn- bis Achtzehnjährigen.
    Der junge Bursche war mit den Regeln einer rücksichtslosen Schlägerei nicht vertraut, der Kranke war ihr nicht gewachsen. Dem jungen Burschen lief schon das Blut über das Gesicht, er sackte zusammen. Die Cowboystiefel der gewandteren und gewichtigeren Männer trampelten über den Gestürzten.
    Mit Stuhlbeinen, angesplitterten Gläsern und jetzt auch schon mit Messern drang die überlegene Masse gegen das Häuflein in der Ecke vor.
    Der Wirt und seine beiden Rausschmeißer versuchten zu spät, sich einzumischen und über das Gewühl Herr zu werden. Sie gerieten selbst in Gefahr und verschwanden. Es war anzunehmen, daß sie die Polizei alarmieren wollten. Joe, der die polizeilichen Verhältnisse in New City kannte, wußte genau, daß man sich von dieser Seite her reglementsmäßig, aber gewiß nicht mit besonderem Eifer herbeilassen würde, eine Schlägerei in einer Kneipe zu schlichten.
    Er konnte daher nicht umhin, seinem Schwager und den beiden jungen Burschen, überhaupt seinen bedrängten Stammesgenossen selbst zu Hilfe zu kommen. Er mußte zunächst diagonal in die gegenüberliegende Ecke gelangen. Mit einem Judo-Griff, der ihm erlaubte, den nächststehenden Riesenkerl überraschend über seinen Nacken zu schwingen, schuf er sich einen Anlaufplatz. Er ließ einen zweiten Schläger zu Boden poltern, indem er ihn mit geschickter Beinarbeit aus dem Stand riß. Dann allerdings hatte er eine Mauer vor sich, und der wütende Knäuel wandte sich gegen ihn.
    »Bettdeckenindianer!«
    Das war ein Spott- und Schimpfwort, das sich auf die einstige Sitte der Indianer bezog, große Lederdecken – später nur Woll- oder Baumwolldecken – wie eine Toga um die Schulter zu tragen. Stonehorn hatte auf die Beleidigung hin nicht die Absicht, noch irgendwelche Rücksicht zu nehmen, auch nicht auf sich selbst. Eine in vielen Jahren angesammelte und gärende Wut zitterte in ihm.
    Er riß das Stilett aus dem Stiefel, und die ersten beiden, die ihn verhöhnt hatten und jetzt anpacken wollten, griffen sich hinter das Ohr. Ungefährlich verletzt, aber vor Schmerz aufheulend, zogen sie sich zurück. Joe hatte wieder Luft. Er warf das Stilett seiner Linken zu, riß mit der Rechten die Pistole heraus und schoß in die elektrische Leitung. Das Licht erlosch.
    Das Krachen des Schusses ernüchterte einige, andere zogen auch die Schußwaffe. Joe schlüpfte im Dunkeln durch einen Spalt im Gewühl und

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