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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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uns allen und beeilten uns, an die Plätze zu kommen und ordentlich und still neben unseren Tischen zu stehen. Die ganze Klasse hatte großen Respekt vor Mister Teacock.«
    »Richtig, Erika, so ist es gewesen.«
    Teacock war zufrieden.
    »Mister Teacock«, forschte der Richter weiter. »Sie konnten über die Schüler, die den Raum betraten, hinweg schon in die Klasse hineinsehen?«
    »Ja, ja. Als ich hinter den Schülern stand, die nun so schnell wie möglich in die Klasse fluteten, konnte ich schon in einen Teil des Raumes hineinsehen.«
    »Haben Sie Joe King beobachtet? Wie verhielt er sich?«
    »Ich beobachtete den Bengel natürlich, wie ich es stets tat. Er wurde mitgeschoben, und es blieb ihm ja nun wirklich nichts anderes übrig, als gleich links abzuschwenken und sich an seinen Platz zu begeben.«
    »Wo stand das Lehrerpult?«
    »Rechter Hand.«
    »Und unter Ihren Augen hat Joe den Umschlag mit dem Geld vom Lehrerpult oder sogar aus dem Lehrerpult genommen, obgleich er nach links zu seinem Platz ging?«
    »Nein. Wohin denken Sie denn, Mister Crazy Eagle. Entschuldigen Sie, aber wie können Sie so wirre Fragen stellen! Die einzige Schülerin, die nicht sofort auf ihren Platz ging, war Erika. Sie wischte vorher rasch noch einmal über die Tafel. Ich tadelte den verspäteten Eifer nicht, da Erika ihre Pflichten sonst immer pünktlich erledigte. Daß aber Joe den Umschlag hatte, sah ich erst, als ich schon am Lehrertisch saß und dort vergeblich danach suchte.«
    »Wann soll Joe den Umschlag denn nun weggenommen haben, Mister Teacock?«
    »Wann? Das weiß ich nicht. Er hatte ihn jedenfalls in der Hand. Das genügt wohl.«
    »Mister Teacock, Joe hat ein einwandfreies Alibi, wie ich sehe. Von dem Augenblick an, in dem Harold Booth den Schlüssel holte, bis zu dem Moment, in dem Sie den Umschlag in Joes Hand sahen, hat Joe nicht die geringste Möglichkeit gehabt, sich des Umschlags zu bemächtigen.«
    »Aber verrückt – er hatte das Geld doch in der Hand.«
    Joe King erhielt das Wort. »Ich hatte nicht das Geld in der Hand, sondern den verschlossenen Umschlag, den ich zu meiner Überraschung zwischen den Heften vorfand, die ich ebenfalls nicht auf die Tischplatte gelegt hatte und auch nicht dort hatte liegen lassen.«
    Wer hatte die Hefte auf Joes Tisch gelegt, wenn Joes Alibi feststand? Ed wandte sich noch einmal an den Zeugen Harold Booth. – »Mister Booth, Ihre Aussagen führen zu bis jetzt noch nicht geklärten Widersprüchen. Ich gebe Ihnen eine letzte Gelegenheit, Ihre Aussagen zu überprüfen, und ich verhehle Ihnen nicht, daß sich aus allen vorliegenden anderen Aussagen ein Verdacht gegen Sie ergibt. Können Sie sich ohne jeden Zweifel daran erinnern, den Umschlag auf den Tisch von Mr. Teacock gelegt zu haben? Sie machen Ihre Aussage unter Eid. Vergessen Sie das nicht.«
    »Ich kann mich an durchaus nichts anderes erinnern, als daß ich den Umschlag auf den Lehrertisch gelegt habe.«
    »Soll das heißen, daß Sie Ihre eigene Erinnerung nur als ein bestmögliches Rückerinnern oder daß Sie Ihre eigene Aussage als unbedingt den Tatsachen entsprechend bezeichnen wollen?«
    »Sie entspricht den Tatsachen.«
    Ed hatte aus dem Stimmklang den Eindruck, daß Harold sich verbiß.
    Joe King meldete sich zu Wort und bat das Gericht, sich das Taschenmesser von Harold Booth geben zu lassen.
    Die Bitte löste Verwunderung, sogar eine gewisse Bewegung aus. Ed wollte eine Begründung des unerwarteten Verlangens hören, aber Joe war nicht bereit, sie vorweg zu geben. Harold Booth hatte das Gefühl, daß er sich jetzt aus der unangenehmen Lage des Verdächtigten am besten herausziehen könne, wenn er sich unbefangen großzügig zeige. Seine Gedankenfelder reichten des öfteren nicht aus, um schwierige Situationen mit schneller Reaktion nach allen Seiten hin zu überblicken. Er war eher ein Mann des Treppenwitzes. So holte er jetzt sein Taschenmesser, ein Messer mit mehreren Klingen, hervor und übergab es dem Gericht.
    Crazy Eagle wandte sich an King. »Und nun?«
    »Bitte meine ehemaligen Mitschüler zu befragen, ob wir in der 7. Klasse darüber gesprochen haben, daß Harold Booth in der 12. Klasse von seiner Mutter ein besonders gutes Taschenmesser geschenkt erhalten habe, den Griff mit Horn eingelegt, die Klingen stark und lang, in drei verschiedenen Größen.«
    Crazy Eagle stellte die Frage, ob einer der Zeugen sich daran erinnern könne.
    Bob meldete sich zu Wort. »Das wußten wir alle, denn nach dem Unterricht,

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