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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ja, den Teufel mit Beelzebub austreiben.«
    »Glauben Sie, daß die Schüler der 12. Klasse bei Ihren Worten an Joe King denken konnten?«
    »Damals glaubten wir alle, daß man bei allem Schändlichen an Joe King denken könne. Seine Mutter war eine Totschlägerin, sein Vater ein Trinker, sein Großvater desgleichen. Er ist unser widersetzlichster Schüler gewesen. Von seinen unglaublich schlechten Leistungen erst gar nicht zu sprechen.«
    »Sie würden diese Diskussion also als mildernden Umstand für die spätere Handlungsweise des Harold Booth ansehen?«
    »O Himmel, ich kann natürlich nicht entschuldigen, was ein so guter und zuverlässiger Schüler wie Harold da plötzlich getan hat. Aber es ist möglich, daß er durch die Diskussion mit seinen Gedanken auf falsche Bahnen gelenkt wurde.«
    Theodore Teacock war so gebrochen, daß er sich bereit fand, Schuld auf sich zu nehmen für seinen ehemals besten Schüler. Harold atmete ein wenig auf.
    »Bleiben Sie sich bewußt, Booth«, sagte Ed, zu ihm gewandt, »daß Sie unter Eid wissentlich falsch ausgesagt und daß Sie mit Ihrer Handlungsweise nicht nur provoziert, sondern ein Vergehen begangen und daß Sie anschließend bewußt verleumdet haben. King hatte, wie die Vernehmungen ergeben haben, keine Zeit, das inkriminierte Geld im Umschlag abzuliefern, denn als er es eben entdeckte, wurde er auch schon beschuldigt. Wir werden diese Sache im Anschluß an den Prozeß verfolgen, der wegen erwiesener Fälschung und wegen eingestandenen Diebstahls demnächst gegen Sie läuft. Wir sehen in diesem Zusammenhang von einer Verhaftung ab. Sie haben Kaution gestellt.«
    »Ja«, flüsterte Booth.
    Als das Urteil in diesem Wiederaufnahmeverfahren, der Freispruch für Joe King auf Grund erwiesener Unschuld, verkündet war, verließ Theodore Teacock sofort den Saal. Lehrer Ball begleitete ihn. »Ball«, murmelte Teacock, während er mit seinem ungleichartigen Freund durch die draußen wartende Menge hindurchfand, »die Menschen passen nicht zu der Mathematik. Sie sind unrein. Oh, was sind wir alle unrein!«
    »Mit der Alleinherrschaft der euklidischen Geometrie ist es auch in der Mathematik zu Ende, Theodore. Es gibt keine Säule mehr, die nicht wankt.«
    Ball nahm Theodore in seinen Wagen. »Sie werden ohne Zweifel an unsere Gerichte weitergeben, daß du unter Eid fahrlässig ausgesagt hast. Am besten beantragst du gleich deine Pensionierung.«
    Theodore seufzte. Das Gehäuse seines Lebens brach ein. Er fühlte sich wie eine nackte Schnecke.
    Harold Booth hatte sich nicht so rasch entfernt wie sein ehemaliger Mathematiklehrer. Er erlebte im Saal, wie er für alle Zuhörer Aussatz wurde. Es blieb ein Ring von Luft um ihn. Keiner grüßte ihn, keiner sprach mit ihm, keiner sah ihn auch nur an. Alles wich beiseite, während er das Gerichtsgebäude verließ. Er hatte den Kopf in den Nacken geworfen, aber die hochmütige Pose ließ ihn niedriger erscheinen. Queenie betrachtete ihn von der Seite, und es überlief sie ein Schauer bei dem Gedanken, wozu er noch fähig sein würde. Den meisten Zuhörern blieb unfaßlich, daß das Stammesgericht vor sieben Jahren auf eine so unbedachte Weise hatte Unrecht tun können. Der Gerichtspräsident selbst schien gebrochen. Auch Elizabeth Holland blieb still und innerlich verwirrt. Sie konnte es sich nicht verzeihen, daß sie vor Jahren den Dingen nicht von sich aus tiefer auf den Grund gegangen war. Die Meinung der ehemaligen Schüler, die damals nicht befragt worden waren, schlug rasch in Bewunderung für Joe King um. Am meisten Freude machte den jungen Menschen die Sache mit dem Taschenmesser. Viele der Zuhörer versuchten, Joe auf irgendeine Weise zu gratulieren, aber er entzog sich dem und blieb unzugänglich.
    Als der Saal sich geleert hatte, ließ Crazy Eagle sich zu Queenie führen.
    »In sechzehn Tagen findet die Verhandlung gegen Harold Booth wegen des Pferdediebstahls statt. Es ist nur noch eine kurze Frist, und wir lassen ihn gegen Kaution auf freiem Fuß. Man sagt mir, du habest Angst vor ihm. Aber was sollte schon geschehen?«
    »Sechzehn lange Tage und Nächte…« Queenie brach ab. Es widerstrebte ihr, ausdrücklich um Harolds Verhaftung zu bitten, die einen neuen Gerichtsentscheid erfordert hätte. Sie machte wohl zuviel Wesens aus ihrer Angst vor diesem Menschen. Bevor sie aber ging, murmelte sie noch: »Kaution – das ist eine der Erfindungen reicher weißer Männer!«
    Ed Crazy Eagle war betroffen und schien noch etwas erwidern

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