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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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und das war vielleicht ein oder zwei Wochen, ehe die Sache mit dem Geld passierte, also gleich nach den großen Ferien, gerieten Joe und Harold nach Schulschluß nachmittags aneinander. Sie haben sich öfters geschlagen. Aber an diesem Tag kam auch Queenie gerade aus dem Schulgebäude heraus, und wenn die beiden Queenie sahen, wurden sie noch wütender aufeinander. Harold sprach Queenie an und zeigte ihr sein neues Messer.«
    Ed unterbrach. »Missis King, können Sie sich an den Vorgang erinnern?«
    »Ja.«
    »Der Zeuge spricht bitte weiter!«
    Bob atmete tief. »Joe ist dann herbeigekommen und hat Harold gefragt, ob er meine, daß ein solches Messer in der Hand eines ungeschickten Feiglings etwas wert sei. Harold wollte Joe mit dem geschlossenen Messer in der Faust gegen die Schläfe schlagen, aber Joe fing den Arm ab, bog Harold den Daumen um und entriß ihm das Messer. Er forderte Harold auf, sich das Messer doch wiederzuholen, und Harold wollte Joe packen, aber Joe antwortete mit einem Boxhieb gegen das Kinn, und Harold taumelte zurück und traute sich nicht mehr heran. Da holte Joe einen geschärften Stein aus der Tasche – er hatte immer solches Zeug bei sich – und kerbte seine Siegeskerbe in das Horn der Messerfassung. So gab er das Messer an Harold zurück und lachte ihn aus. Queenie aber warf auf Joe einen bewundernden Blick, um den wir ihn alle beneidet haben.«
    »Wo war die Kerbe?« wollte Ed wissen.
    »Wenn Sie über die Rücken der Schneiden fassen, Sir, dann auf der rechten Seite, im oberen Drittel. Ich weiß es, weil ich genau aufgepaßt habe und weil Joe lange feilte. Es hat mich sehr interessiert.«
    Durch den Saal ging bei den letzten Worten ein Lächeln, das auf die tiefgreifende Spannung aufgesetzt war wie eine kleine Welle auf einen See, der schon unter einem Gewitterhimmel auf den Sturm wartet.
    Ed befragte Mrs. Holland. »Halten Sie es für möglich, daß das Gedächtnis des Zeugen Bob Thunderstorm so sicher ist?«
    »Ja, ich halte es für möglich. Er begreift schwer, aber was er einmal begriffen hat, das vergißt er nie. So ist das bei seinen schulischen Leistungen.«
    Ed Crazy Eagle hatte inzwischen die Horneinlage der Fassung abgefühlt und eine der Beschreibung entsprechende Kerbe gefunden.
    »Mister Booth, ist dies das Messer, um das sich der geschilderte Vorgang abgespielt hat?«
    Harold räusperte sich ausgiebig. »Ich meine nicht, daß Bob die Vorgänge richtig beschrieben hat. Es ließe sich darüber noch einiges sagen, aber ich will das Gericht nicht mit unnützen Legenden aufhalten. Es handelt sich jedenfalls hier um das Messer, das ich von meiner Mutter auf Grund meiner besonders guten Leistungen in der 11. Klasse geschenkt erhielt und das meine Mitschüler zu Beginn der 12. Klasse bewunderten, allerdings ohne mich auf eine so minderwertige Art zu beneiden, wie das Joe King tat.«
    »Mister Booth, Beleidigungen sind vor Gericht nicht am Platze. Es handelt sich also hier um das Messer, das Sie bereits in der Schule besaßen!«
    »Ja.«
    »Mister King, wollen Sie jetzt erklären, was dieses Messer Ihrer Ansicht nach für eine Bedeutung im Rahmen unserer Feststellungen hat.«
    »Kann ich eine Frage an den Zeugen Harold Booth richten?«
    »Über das Gericht, bitte.«
    »Wollen Sie den Zeugen Harold Booth bitte fragen, warum er nicht daran gedacht hat, die abgebrochene Spitze der Mittelklinge seines Messers, mit der er damals die Schublade meines Schülertisches geöffnet hat – um die Hefte herauszunehmen –, warum er also nicht daran gedacht hat, diese Spitze zu beseitigen, die noch in dem Holz steckte?«
    Joe King hatte Harold scharf angesehen, während er sprach, und Harold hatte ihm, wie von einer Schlange fasziniert, dabei Gelegenheit gegeben, ihm in die Augen zu blicken. Jetzt lief Harold der Speichel aus dem Mund.
    »Die Frage ist zugelassen«, entschied Crazy Eagle und wiederholte sie wortwörtlich.
    »Ich verstehe nicht…«, stotterte Harold.
    Joe erhielt noch einmal das Wort. Unter den Zuhörern blieb es dabei ganz still, aber alle Gehörnerven wurden angespannt, und die Augen weiteten sich.
    »Ich hatte einen Tisch mit verschließbarer Schublade und schloß in den Pausen meine Schublade stets zu«, erklärte Joe King, »aus der Disziplin nicht ganz entsprechenden Gründen, weil ich gelegentlich einen Heuhüpfer oder dergleichen samt den Heften darin verwahren wollte. An einen Diebstahl oder sonstige Gemeinheiten hatte ich nicht gedacht. Die Hefte, die in meiner

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