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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Unterschlupf benutzt, jetzt aber nicht weiter erforscht worden sei. Der interessantere Teil der Höhle gehe von dem zweiten Eingang aus, der mit einer schweren Holztür verschlossen war. Der Führer öffnete mit einem primitiven großen Schlüssel, schaltete die elektrische Beleuchtung in der Höhle ein und forderte Stonehorn auf, ihm zu folgen. Es ging eine Holztreppe, die im Höhlenraum frei eingebaut war, in einzelnen Absätzen abwärts. Der Führer erklärte die Gesteinsformationen, das eigenartige Hervorquellen des schillernden Quarzes aus den dunklen Wänden, die Mühlen, die sich ein ehemals hier durchbrausender Wasserfall in den Wänden gegraben hatte. Linker Hand führten schmale Gänge weiter, die jedoch, wie der Führer auf Befragen sagte, noch nicht erforscht worden waren. Die Treppen gingen tiefer und tiefer in den Berg hinein, schließlich führte eine lange Holzbrücke geradeaus weiter bis zu einem kristallklaren Teich. Der Teich hatte eine unterirdische Quelle und einen unterirdischen Abfluß. Im Wasser und an seinen Felsufern lebten ein paar blinde Molche. Stonehorn betrachtete sich das eingehend und mit viel Interesse. Die Führung war an dem See zu Ende. Weiter war auch der Hauptgang der Höhle noch nicht erforscht. Er verlief sich in vollständiger Finsternis. Joe zog seine Taschenlampe und leuchtete ein wenig in die Fortsetzung des Haupteinganges hinein. Es schien zunächst eben weiterzugehen. Der Führer versicherte, daß die ersten Forschungen und Messungen eine außerordentliche Tiefe der Höhle ergeben hätten. Man habe bisher weder das Ende noch einen zweiten Ausgang finden können. Reste früheren Lebens von Tieren oder Menschen habe man in diesem Teil der Höhle noch nicht gefunden, was damit zusammenhängen könne, daß der Höhlenarm, in dem man sich jetzt befinde, früher ganz von dem Wasserfall, einer Art unterirdischen Flusses, ausgefüllt gewesen war.
    Stonehorn brachte nun das Gespräch auf Jerome und Caroline, deren rätselhaftes Verschwinden in aller Munde war. Der Führer lächelte ein wenig, nicht ironisch, da er noch auf ein Trinkgeld hoffte, und erzählte, daß schon mehr als ein Fremder hier gewesen sei, auch die Polizei und ein Privatdetektiv, um sich die Höhle anzusehen, und daß sein Geschäft sich auf diese Weise im Herbst noch belebt habe. Aber Jerome und Caroline seien nun einmal nach der Besichtigung wieder mit den anderen Touristen zusammen sicher aus der Höhle herausgekommen, und er könne sich daran genau erinnern, weil er noch das Gespräch miterlebt habe, das dazu führte, daß das Rechtsanwaltsehepaar aus Vancouver – das den Namen Bergen aus seinen Berufskreisen kannte – die beiden jungen Leute, die ihren Wagen nicht dabeihatten, bis zum dunklen See mitzunehmen bereit war. Überhaupt kontrolliere er natürlich nach jeder Besichtigung die Rückgabe der genau gleichen Zahl der Eintrittskarten, die er ausgegeben habe. Es sei denn auch in der Höhle nicht das geringste Anzeichen dafür entdeckt worden, daß hier jemand verunglückt sein könne.
    »Ich hätte mir den Preis gern verdient«, schloß der Führer.
    »Vierzigtausend könnte ich gebrauchen. Aber hier ist leider nichts zu machen.«
    »Auch nicht, wenn ich Ihnen helfe?«
    »Wie bitte? Nein, o nein, es ist keinesfalls erlaubt, hier auf eigene Faust zu forschen.«
    Stonehorn folgte dem Mann, der keine Lust hatte, länger als ein Führungsvortrag erforderte, in der Höhle zu bleiben. Das Hinaufsteigen fiel dem Führer schwer, denn er hatte im Krieg einen Lungenschaden davongetragen. Stonehorn merkte dagegen, daß die Nachwehen der Verletzungen, die er beim Widerstand gegen vier Polizisten davongetragen hatte, überwunden waren. Er gab dem Führer noch das erhoffte Trinkgeld, worüber dieser ungemein erfreut war, und dann gingen beide zu den Wagen. Stonehorn grüßte und fuhr zurück bis zu der großen betonierten Straße, zu jener Stelle, an der der Wegweiser zur Höhle angebracht war. Von hier aus suchte er sich eine gute Ausweichstelle hinter einigen Kurven, stellte seinen Wagen verschlossen ab und wanderte zu Fuß umher. Als es Abend wurde, kannte er die Wälder und Wiesen, Felsen und Blöcke rings um die Höhle wahrscheinlich besser als sonst irgendein Mensch. Doch hatte er nirgends Spuren eines weiteren Höhleneingangs finden können. Es mochte ihn geben, aber dann war er vollständig mit Erde oder Stein bedeckt oder überwachsen. In den fünf Tagen, die Stonehorn noch zur Verfügung standen, konnte

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