Nacht über der Prärie
er keine Geländeuntersuchung vornehmen, die genauer war als die, die er schon durchgeführt hatte. Er hätte dafür auch kaum die nötige Unterstützung gefunden, da von allen Seiten nicht die Höhle, sondern der See als letzter bekannter Aufenthaltsort der Vermißten betrachtet wurde.
Aber Stonehorn wollte seine Nachforschungen nicht ausdehnen, ehe er nicht über das Innere der Höhle alles in Erfahrung gebracht hatte, was in kurzer Zeit zu eruieren war. Er wartete daher die Nacht ab, kontrollierte noch einmal seinen Wagen, schaltete die Rücklichter vorschriftsmäßig an und schlich dann zu Fuß zu dem Höhleneingang zurück. Da er dabei die Kurven der Straße abschnitt, war der Weg viel kürzer. Er öffnete das Schloß der schweren Holztür mit einem seiner Dietriche mit Leichtigkeit, schloß auch von innen wieder ab und stieg im Licht seiner starken Taschenlampe die Treppen hinunter. Dabei achtete er weniger auf den Hauptgang als auf die einmündenden Seitengänge. Zunächst ließ er diejenigen beiseite, durch die sich auch ein schlanker Mensch nicht oder kaum durchzwängen konnte, kletterte jedoch in einen breiteren über das Treppengeländer hinweg, ein Stück weiter hinein. Dabei entzündete er eine Kerze, um vor giftigen Gasen oder Sauerstoffmangel sicher zu sein. Wenige Meter, nachdem er vorgedrungen war, ging seine Kerze schon aus. Er schaltete die Taschenlampe an und zog sich wieder auf die Treppe zurück. Schnell stieg er hinunter, bis er zu dem kleinen See kam. Oberhalb des Sees begann ein Seitengang, der hoch und breit genug war, um einen Menschen durchschlüpfen zu lassen. Joe schaltete die Lampe aus. In der Finsternis stand er vor dem Wasser, das ein ganz mattes, fast unsichtbares Schillern durch die Dunkelheit dringen ließ. Vielleicht äffte ihn auch nur seine Kenntnis, daß hier Wasser war. Da es keine Schritte des Führers, kein Gespräch gab, sondern nur Stille, hörte Stonehorn das minimale Geräusch, das beim Zufließen und Abfließen des Wassers entstand. Einmal pflumpfte ein Molch in den Teich. Diese Wasserstelle erschien Stonehorn von besonderem Interesse. Wenn er selbst sich einen Monat lang in der Höhle hätte verbergen wollen, hätte er den unerschlossenen Gang hinter dem Teich gewählt. Lebensmittel konnte man in komprimierter Form für Wochen mitnehmen und selbst ohne Lebensmittel, nur mit Wasser, ein paar Wochen aushalten, wenn das aus irgendeinem Grunde nötig oder wünschenswert erschien.
Es fragte sich lediglich, ob die Luft in diesem Höhlenarm für Menschen zum Atmen genügte. Das konnte Stonehorn leicht feststellen. Er legte Schuhe und die langen Hosen ab, steckte das Stilett in die Scheide am Gürtel, watete durch den eiskalten Teich, dessen Wasser ihm bis über die Knie ging, und kroch jenseits in den leicht ansteigenden Seitengang der Höhle hinein. Die Luft roch frisch. Er zündete die Kerze an, löschte sie aber bald wieder und hatte nur die Taschenlampe griffbereit, ohne sie anzuschalten.
Er lauschte, denn er glaubte irgendwo hoch oben in dem Höhlengang ein Geräusch zu vernehmen, und schon hatte er auch die Überraschung im Nacken.
Ein Mensch, schätzungsweise hundertsiebzig Pfund schwer, ließ sich aus etwa zehn Meter Höhe auf ihn herunterfallen, riß ihn aus dem Stand und stürzte mit ihm zusammen hinunter in den Teich, auf dessen felsigen Grund. Das Wasser drang Stonehorn in Nase und Ohren. Er wollte vor allem seine Bewegungsfreiheit wiedergewinnen, trat dem andern, der ihn umschlungen hielt, aber in dem Wasserbad und vom Sturz erschüttert, offenbar selbst verwirrt war, mit aller Kraft gegen Knie und Leib und wand sich nach oben aus der Umschlingung heraus. Sobald ihm das gelungen war, drehte er sich blitzschnell um, riß dem andern den Colt aus dem Gürtel und hechtete mit dieser Beute über den Teich hinüber. Er stellte sich dem großen Kerl, der eben platschend aus dem Wasser kam, und schlug mit seiner widerstandsfähigen Taschenlampe gegen die Stelle, an der sich vermutlich der Schädel des unerwarteten Gegners befand. Der Erfolg war der erwünschte. Der andere kippte um und fiel zurück. Stonehorn schaltete seine Taschenlampe an und sah den jungen blonden Mann bewußtlos im Teich liegen. Joe steckte seine Taschenlampe angeschaltet im Gürtel fest und zog den andern aus dem Wasser heraus. Dabei lauschte er, ob der nach oben führende Gang vielleicht noch mehr Unerwartetes hervorbringen würde, aber es rührte sich nichts. Er fesselte dem Unbekannten, auf
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