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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ganz vergeblich, mich zu erpressen, denn das Geld ist nicht im Haus.«
    »Aber es genügt mir ein Schein, von deiner Hand geschrieben, Queenie. Eine Anweisung.«
    »Die Sie dann gegen Joe ausnutzen. Die Frau wollte ein Schweigegeld geben, Schuldbeweis genug. Nein, Booth, daraus wird nichts. Gehen Sie hinaus – oder ich schieße.« Queenie legte an.
    »Schieß nicht, meine Liebe. Ich habe die Sache schon ein paar zuverlässigen Leuten erzählt. Solange ich lebe, schweigen sie. Wenn ich umgebracht werde, reden sie und rächen mich, und Joe verschmort auf dem elektrischen Stuhl oder erstickt in der Gaskammer. Kein schöner Tod, nein, und er ist noch so jung… Also zahlt lieber! Bring dich nicht noch selbst vor Gericht, kleine süße Queenie.«
    In Harolds Augen blitzte es auf, und er warf sich blitzschnell mit dem ganzen Gewicht seines Körpers auf die junge Frau. Der Schuß krachte zur gleichen Zeit. Booth brach zusammen. Queenie lag halb unter ihm.
    Er war nicht tot, doch spürte er, daß es mit seinem Leben in kurzem zu Ende gehen würde, und es überkam ihn eine irre Wut und Rachsucht. Er wollte Queenie erwürgen und packte sie mit seinen Pranken am Hals. Queenie war die Pistole entfallen. Ihre tastende Hand fand sie wieder. Sie fühlte die Qual des Erstickens und schoß zum zweitenmal, wiederum ohne richtig zielen zu können, aber sie wollte den Kopf des Mörders treffen. Der zweite Schuß krachte. Die Würgerhände ließen los. Queenie sank ganz zurück. Es war ihr unmöglich, noch eine Bewegung zu machen. Vor ihren Augen stand nichts als Dunkelheit. Doch wußte sie, daß sie lebte und daß Harold Booth mit seinem atemnehmenden Gewicht auf ihr lag. Das war das einzige, was sie begriff, weiter konnte sie nicht denken.
    In der Stille des einsamen Landes waren die Schüsse auch auf der Booth-Ranch schwach gehört worden.
    »Da drüben saufen und schießen sie wohl schon wieder«, sagte Vater Isaac Booth zu seiner Tochter Mary und zu seiner Frau. »Kaum Geld, und schon geht der alte Tanz wieder los.«
    Mary und Mutter Booth antworteten nicht.
    Etwa eine Stunde später fuhr ein Wagen die Talstraße entlang, lenkte den Furchenweg aufwärts und hielt vor dem Hause der Kings, dessen Inneres noch von einer flackernden Kerze erleuchtet war; der Schein drang durch das Fenster. Frank Morning Star stieg aus, nahm den Startschlüssel heraus, schloß aber nicht ab, sondern ging auf die Haustür zu. Es freute ihn, daß alles so ruhig war; er hatte schon gefürchtet, viel Gesellschaft vorzufinden. Nach dem Bekanntwerden der Belohnung, die Joe erhalten hatte, fanden sich sicher sämtliche Verwandten der Reihe nach bei ihm ein. Auch Frank wollte seine Ansprüche anmelden. Schließlich hatte er Joe King gedrängt, die Suche nach Jerome und Caroline aufzunehmen, und so war es nicht mehr als gerecht und angebracht, wenn King nun für die indianische Kultur auf der Reservation etwas tat. Frank klopfte nicht erst, es war ja noch früh am Abend. Er trat einfach ein. Auf der Schwelle wurzelte er an. Nachdem er sich das niederschmetternde Bild, das sich ihm bot, einige Sekunden schweigend eingeprägt hatte, rief er: »Queenie, Queenie!« Die junge Frau hörte den Ruf wohl, aber sie fühlte sich nicht imstande zu antworten.
    Frank trat vorsichtig näher. »Queenie!« Er beugte sich zu der jungen Frau, deren Gesicht frei zu sehen war. Als sie die Augen nicht öffnete, er aber den schwachen Atem feststellen konnte, holte er Wasser und benetzte ihre Stirn und ihre Schläfen. Sie machte die Augen auf, schaute erst verständnislos und erschreckt auf Frank, aber als dieser mit leiser Stimme wieder ihren Namen rief, schien ein volleres Bewußtsein bei ihr einzukehren.
    »Frank?«
    »Ja, ich bin es, Queenie. Was ist geschehen?«
    »Du siehst es ja, Frank. Ich habe mich gewehrt, so gut ich konnte.« Der Kopf sank ihr wieder zur Seite.
    Frank überlegte. Das beste wäre gewesen, alles stehen- und liegenzulassen und die Polizei zu holen. Aber er konnte Queenie nicht stundenlang der Lage überlassen, in der sie sich jetzt befand. So befreite er sie vorsichtig von dem Gewicht des Toten und trug sie auf die mit Decken belegte Bettstelle. Er gab ihr zu trinken. »Wo ist Joe?« forschte er.
    »Mit meinem Vater gefahren… der Wagen war so voll… da wollte Joe helfen. Mit unserem Cabriolet.«
    »Und Okute?«
    »Auch. Mit seinem Wagen.«
    »Und der da… der da… kam, als du allein warst?«
    Queenie nickte.
    »Kannst du es noch einige Zeit allein

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