Nacht über der Prärie
ziehen wollte.
Queenie, Stonehorn und Okute saßen des Abends wieder im Zelt zusammen. Es war schon kalt draußen, aber es herrschte noch kein Frost, und das Büffelleder schützte.
»Die beiden sind weg«, sagte Inya-he-yukan, der Alte, »Pferdediebe verdienen den Tod; sie haben ihn sich doppelt und auch nach dem Gesetz der weißen Männer verdient, als sie dich angreifen wollten, Joe. Was soll man lange darüber rechten. Niemand wird sie auf dieser Welt mehr finden. Euer Pferd und sein ungeborenes Junges haben ein Grab unter Steinen und Erde gefunden. Auch sie werden für die Watschitschun vergessen sein. Hau.«
Queenie-Tashina sagte dazu nichts, denn es stand ihr nicht an, etwas zu äußern, wenn ein Alter gesprochen hatte. Aber Inya-he-yukan, der Alte, erkannte den Zweifel in ihr und fragte:
»Was denkst du, Tashina?«
»Dürfen wir selbst richten?«
»Es sind immer Menschen, die richten, Tashina. Als ich erzogen wurde, mußte ich lernen, daß der Kläger auch der Richter sei, denn westlich des Mississippi gab es kein Gesetz, aber westlich des Missouri auch keinen Gott der weißen Männer mehr. Wir spuckten aus vor dem, der es nicht wagte, ein Verbrechen selbst zu bestrafen. Ich habe den Mörder meines Vaters getötet, und dann erst konnte ich wieder als ein Mann frei um mich schauen.«
»Ihr habt ein anderes Leben geführt als wir, Inya-he-yukan.«
»Ihr lebt zwischen Baum und Borke und reibt euch wund. Deshalb habe ich gehandelt.«
Der nächste Tag war Joes Meldetag; er hatte auf der Superintendentur zu bestätigen, daß er, der Bedingung seiner Bewährungsfrist entsprechend, sich auf der Reservation aufhielt.
Die Sekretärin Miss Thomson entdeckte ihn sofort unter den Wartenden und teilte ihm mit, daß Mr. Haverman, für die Ökonomie der Reservation verantwortlich, Mr. King zu sprechen wünsche. Joe ging hinüber in das Dezernentenhaus, und da, soweit sein Gehör ihn unterrichtete, Haverman keinen Besucher hatte, trat er dort ein. Der Beamte blickte über die Barriere weg auf den Indianer. »How do you do! Sie planen einen Brunnen. Ich bin einverstanden. Haben Sie die Probebohrungen schon in Auftrag gegeben, Mister King?«
»Schriftlich. Sobald die Vertreter der Firma zu einigen Arbeiten für den Gesundheitsdienst auf die Reservation kommen, werden sie sich auch bei mir umsehen.«
»Gut, gut. Es muß noch vor dem Frost gemacht werden. Informieren Sie mich bitte, wenn die Leute kommen, ich möchte mir das auch ansehen.«
Joe King beantwortete diesen Wunsch nicht. Er trat dicht an die Barriere heran, doch Mr. Haverman öffnete sie nicht, sondern ließ die Trennungslinie zwischen sich und seinem Besucher bestehen.
»Es gibt noch einiges zu besprechen, Mister King. Es könnte sein, daß Isaac Booth seine Ranch aufgibt. Würden Sie sich unter Umständen bereit finden, die Booth-Ranch zu übernehmen? Sie haben doch nun das Geld, um etwas aus der Sache zu machen! Mit Vorsicht, Sparsamkeit und Geduld können Sie eine vorbildliche Ranch aufziehen.«
Joe King äußerte keine Meinung hierzu.
»Sie können sich diese Möglichkeit schon durch den Kopf gehen lassen. Halten Sie jedenfalls Ihr Geld vorsichtig zusammen. Sie sind noch nicht gewohnt, mit so großen Summen umzugehen. Sie ahnen wahrscheinlich nicht, wie schnell die Dollars zwischen den Fingern zerrinnen: ein Brunnen, ein Haus, ein paar Pferde, ein neuer Wagen… einen Zaun rings um Ihre Ranch, elektrisch geladen; Hafer für Ihre Pferde, Einzelboxen für die Hengste… Sie müssen sich laufende Einnahmequellen verschaffen, wenn Sie durchhalten wollen. Sie müssen Zuchterfolge vorweisen können. Pferde sind aber empfindliche Tiere. Sie müssen imstande sein, einen Verlust zu überwinden. Kurzum, Sie sind unter armen Leuten jetzt ein reicher, unter reichen Leuten aber ein ganz armer Mann.«
»Ja.«
»Gut, Sie sehen das ein. Wenn erst einmal eine Grundlage da ist, werden die Schwierigkeiten geringer. Aber nichts ist verzehrender als ein Neuanfang.«
»Ja.«
»Ich schlage Ihnen also vor, daß Sie mir einen Plan vorlegen, wie Sie sich das Weitere denken, und wir besprechen Ihre Dispositionen. Es wäre sehr schade, wenn das Geld wirkungslos vertan würde. Hüten Sie sich vor Ihren Stammesgenossen! Es ist ein Unglück, daß jedermann die Höhe der Belohnung, die Ihnen zugefallen ist, kennt. Sie werden sich nicht retten können vor Verwandten, Freunden, selbst vor dem Stammesrat. Aber bleiben Sie hart! Betrachten Sie das Spendieren nicht als moralische
Weitere Kostenlose Bücher