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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Isaac, daß Ihr geht.«
    »Es ist beschlossen. Allein kannst du aber nicht wirtschaften. Also frage Joe, was du ihn fragen willst. Das Vieh und die Pferde werden verkauft, das Geld nehme ich mit bis auf einen Anteil, der dir zusteht. Das Land bleibt. Es gehört dem Stamm.«
    Mary wandte sich an King. »Wenn du das Land nimmst, so wirtschafte ich darauf, wie ich es gewohnt bin. Wir werden schon einig.«
    »Was soll das Land ohne Vieh, Mary? Es kostet Pacht.«
    »Man brauchte nicht alles, ein Teil ist schlecht. Aber der Streifen an der Straße mit dem Brunnen und die Hänge hinauf bis zu den weißen Felsen, die sind gut. Da könnte man sogar besser wirtschaften als bisher. Wo immer fünf gegessen und eineinhalb gearbeitet haben.«
    Über Isaacs Gesicht lief ein dunkler Schatten.
    »Was willst du denn züchten, Mary?« wollte Stonehorn wissen.
    »Etwas Neues müßten wir züchten, was jetzt gesucht wird. Schwarzes Vieh oder Büffel. Büffel wären noch besser, aber sie sind gefährlich und schwer zu hüten. Nun, Joe, so wie du bist, kannst du mit ihnen fertig werden. Aber sie sind auch teuer.«
    Stonehorn schaute Mary von der Seite an. Er hatte unerwartet einen Menschen gefunden, der mit ihm von Büffeln träumen wollte. Mit Mary, der Nachbarstochter, hatte er schon als Kind gespielt. Sie hatte ihn ein paarmal vor der Polizei versteckt. Sie war, obgleich jung, nicht schön; sie glich einem tüchtigen struppigen Pferd. Ihr Körper hatte ihn nie gereizt. Aber er liebte in diesem Augenblick den gemeinsamen Traum von den Büffeln der Prärie.
    »Man muß darüber reden«, sagte er, ohne etwas von seiner aufkommenden Erregung nach außen dringen zu lassen. »Büffel und bucking horses. Rechnest du aus, wieviel acres wir brauchen und mit wieviel Stück wir anfangen könnten – und was es kostet? Du hast etwas Geld, ich auch. Legen wir zusammen?«
    »Ja. Ich rechne das aus, und morgen oder übermorgen komme ich zu euch hinauf.«
    Da es im Augenblick nichts weiter zu besprechen gab, verabschiedete sich Joe und ging. Seine Phantasie blieb mit Büffeln beschäftigt. Er wußte, daß der Naturschutzpark Jungtiere abgab und daß die ersten Büffelranches in der Prärie entstanden. Sobald er sich daheim gesättigt hatte, machte er Queenie und Okute eine Andeutung über den Inhalt seines Gesprächs auf der Booth-Ranch. Okute horchte auf. Queenie war seltsam mißgestimmt. Joe schrieb das ihrer Müdigkeit nach den letzten Ereignissen zu.
    Am folgenden Nachmittag wurde es auf der Straße im Tal auf einmal lebhaft. Uralte Wagen kullerten heran, auch vier Reiter tauchten auf.
    Queenie war im Haus und schaute durch das Fenster hinunter. Okute stand in seinem Tipi am Eingangsschlitz und beobachtete. Stonehorn verließ die Pferdekoppel. Er stellte sich dicht an die Hauswand und musterte den Heerwurm der herannahenden Gäste mit keineswegs gemischten Gefühlen. Seine Empfindungen waren durchaus eindeutig. Joe erkannte jeden Wagen und jeden Menschen wieder, den er sich einmal angesehen hatte. Er wußte daher, wer kam.
    Als erste waren es die ›alten Brüder‹ seines Vaters, die so lange im Branntwein das Vergessen ihres Elends und ihrer Unterwerfung gesucht hatten, bis sie in dem Traumwasser, das sie heiliges Wasser nannten, allen Willen ertränkten. Sie waren es, die mit dem alten King am Tage seines Todes gesoffen und sich geprügelt hatten. Mit vier Wagen kamen sie jetzt an. Dahinter folgten einige von Joes Verwandten in drei weiteren motorisierten Kutschen. Sie hatten sich von der Familie King abgewandt, als Joe noch ein Kind und seine Mutter im Unglück war, und er hatte sie später nie mehr aufgesucht. Die Verbindungen waren abgerissen. Aber nun kamen die Verwandten mit Kind und Kegel. Joe hatte einen solchen Überfall nicht weniger sicher vorausgesehen als Haverman. In seinem Hause stand ein Kasten Coca-Cola, und es gab die beliebten und billigen Nußtütchen für Kinder. Aber Stonehorn wußte genau, daß die meisten Gäste etwas anderes erwarteten. Er merkte, daß Okute auf seine lautlose Art aus dem Zelt gekommen und zu ihm herangetreten war. »Wirst du ihnen Brandy geben, Inya-he-yukan?«
    »Nein. In mein Haus kommt kein Tropfen mehr. Mein Vater ist daran zugrunde gegangen.«
    »Der meine auch. – Wenn sie Brandy mitbringen?«
    »Wenn sie anfangen wollen zu trinken, räume ich sie ab.«
    »Vielleicht geht es in Frieden.«
    »Vielleicht.«
    Die Autokarawane kam den Furchenweg herauf. Die Wagen waren mit Menschen vollgeladen, die

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