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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gehörigen, stammeseigenen Jagdgebiet in dem nahen Felsengebirge vor. Er selbst, Okute und Joe sollten daran teilnehmen. Joe, der noch nie in seinem Leben die Gelegenheit gehabt hatte, etwas anderes als Fasane und Raubvögel zu jagen, konnte nicht widerstehen, um so weniger, als Collins und Okute ihm gemeinsam versicherten, daß für ihn eine Ausspannung als Abschluß des Trainings zweckmäßig sei. Die drei Frauen, Queenie, Evelyn und Untschida, begleiteten die Jäger im Wagen, und da die Zwillinge nicht ohne die Mutter zu leben gewohnt waren, wurden sie mitgenommen.
    An einem Rastplatz im Gebirge schlugen die Männer zwei Jagdzelte auf. Die Frauen rösteten Fleisch am flackernden Holzfeuer, und alle aßen.
    Der Abend kam. Aus dem Schatten der Täler wehte der Bergwind hervor und brachte den Duft von Erde, Tannen, Moos und Wasser. Die Gipfel waren rot, als ob das Gestein in Feuer schmelze. Die Quelle bei den Zelten rauschte; rings wurde es still. Im Wasser spielte noch das Licht, in den Farben des Regenbogens gebrochen, und die Steine schienen sich in den Grund hineinzuschlafen. Das Schwarz begann die Wiesen zu decken, die Bäume und Hänge schwanden in das Eins der Dunkelheit.
    Die Frauen spülten das Geschirr am Quellbach. Okute und Joe holten ihre Jagdgewehre. Collins erklärte plötzlich und doch nicht unverhofft, daß er in der Nacht als Schutz für die Frauen gegen Raubtiere bei den Zelten bleiben werde. So machte sich Inya-he-yukan allein mit seinem Wahlsohn auf den Weg.
    Stonehorn war es seltsam zumute. Er kannte angestrengte Arbeit, Schlaf und die Zeit der Wiederherstellung der Kräfte; er kannte auch das Schweifen und Suchen und unerwünschte Untätigkeit. Aber das Gefühl, sich nur an der eigenen Kraft, schlicht und einfach am Leben selbst zu freuen, war ihm selten begegnet, am vollkommensten in den Nächten mit Queenie.
    Jetzt genoß er die Freiheit und sich selbst auf eine andere Art, zusammen mit der Wildnis und dem älteren Gefährten. Die Erde war weich; Gras und Moos legten sich milde nieder, wenn die Füße darüber gingen. Die Zehen tasteten Mulden und Ritze der Steine ab und verbanden sich mit ihnen im sicheren Schritt. Zweige neigten sich, wippten und schnellten. Die Hitze des Sommertages hatte in die Haut gebissen, aber die Nacht streichelte und kühlte, und die Augen wurden nicht mehr geblendet; sie spielten mit den geheimnisvollen Täuschungen von Mond- und Sternenlicht; das Ohr fing die Laute aus der Dunkelheit heraus. Die beiden Männer gingen hintereinander. Okute führte. Stonehorn bewunderte den uralten Jäger, die fleischlose, sehnige, noch immer in sich harmonische Gestalt, die Sicherheit der Bewegung, die Füße, unter denen kein dürrer Zweig knackte, kein Steinchen rollte. Stonehorn hätte in schnelleren Rhythmen gehen können, aber er fügte sich ohne Unbehagen in die wohl abgemessene, dem Alter angepaßte, unveränderliche Gleichmäßigkeit des Schritts und des Atems, der auch dann nicht hastig wurde, als es steil bergan ging. Inya-he-yukan Okute schien sich in seinem eigenen Revier zu bewegen. Er hatte für diese sanft kühle Nacht nichts anderes angelegt als einen Wampumgürtel, den Lendenschurz und die Kette aus Bärenkrallen. In der Hand trug er das Jagdgewehr. Auch Inya-he-yukan der Jüngere war nackt und ganz Indianer, wie er es zu sein liebte, wenn er in die Wildnis kam.
    Nach einer stundenlangen Wanderung traten die beiden Jäger aus dem Wald zu einem Bachbett heraus. Das Wasser glitt hier über felsige Terrassen, füllte ausgewaschene Becken, sprühte in Schleiern über kurze Steilhänge; es bespiegelte sich unter Mond und Sternen, rein, von nichts berührt als von Wind und Fels. Okute hielt an und winkte seinen Sohn neben sich. Inya-he-yukan der Jüngere aber lächelte ein verschwiegenes Lächeln, denn er glaubte, diesen Platz schon gesehen zu haben, seit ihm Okute in einer langen Winternacht davon berichtet hatte. Hier hatte einst Harka Steinhart Nachtauge Büffelpfeilversender Bärentöter, der später den Namen Stein mit Hörnern empfing, im Alter von zwölf Jahren gejagt zusammen mit seinem Freunde Stark wie ein Hirsch. Ein Jahrhundert war darüber vergangen, Bäume waren gestürzt, neue herangewachsen, die Jagdgründe des indianischen Volkes waren zusammengeschrumpft, aber dieser Fleck Erde gehörte noch den Verwandten, den Söhnen und Töchtern des Stammes, in dem Stark wie ein Hirsch in jungen Jahren ein Häuptling geworden war und in dessen Zelte er

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