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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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dunkles Hemd; der ins Auge springende Punkt an ihm war das gelbe Halstuch. Auf die breiten ledernen Beinschützer, die die meisten Reiter angelegt hatten, hatte er verzichtet; beim sattellosen Reiten brauchte er die freie Fühlung mit dem Pferd. Auch Frauen, als Cowgirls gekleidet, hielten in der Reihe. Sie sollten um die Wette reiten, eine Art Slalom zu Pferd und die letzte Strecke als Flachrennen.
    Joe sah Queenie am Zaun stehen, aber er lächelte ihr nicht zu. Jetzt war er keine Privatperson mehr, jetzt war er Teilnehmer des Rodeo, bei dem die Männer ihre Geschicklichkeit und ihre Kraft in allen Künsten des Cowboys zu messen hatten. Es waren die nationalen Wettspiele der weißen so gut wie der indianischen Bewohner der Prärie. Doch befanden sich in der langen Reiterparade nur drei Indianer. Als die Reiter die Arena wieder verließen, studierten die Zuschauer die Programmhefte. Es wurde über den Lautsprecher eine Abänderung angekündigt: »Bronc Nr. 7, sattellos, Reiter nicht Dick McNally, sondern Joe King.« Der Ansager wiederholte: »Joe King!«
    Viele klatschten, auch Kate Carson und Superintendent Hawley auf der Tribüne waren unter denen, die Beifall spendeten. Die Kinder kletterten am Zaun hoch und im Hintergrund auf die Bäume. Bei den Verschlägen der Broncs war schon Unruhe. Jedes Tier befand sich in einem besonderen, oben offenen Verschlag. Der Reiter sprang von der Wand des Verschlages auf den Rücken des Tieres hinab, der Verschlag wurde zur Arena hin geöffnet, und das Tier tobte sofort hinaus, bockend und schlagend.
    Die erste Bedingung für einen Sieg war die Zeit: Der Reiter hatte abgezählte Sekunden auf dem Rücken des Tieres zu bleiben, ohne herabzustürzen. Die weiteren Bedingungen, die zu Punktgewinnen führten, hingen mit der Haltung des Reiters zusammen.
    Die bucking horses waren besonders elastische und kräftige Tiere, zumeist auf freier Weide herangezogen, schon geritten, aber für diesen Wettbewerb durch eine besondere Art der Riemenführung um die Lenden in hemmungslose Wut versetzt. Sie stiegen, bockten mit Katzenbuckel, so daß der Reiter immer wieder wie ein Ball hochgeschleudert wurde, sie machten unvorhergesehene Sätze, und wenn sie besonders listig und gewandt waren, gingen sie mit allen vieren in die Luft und ließen sich dann fallen. Es war nach Ablauf der Zeit für den Reiter, der oben geblieben war, kaum möglich, allein abzuspringen. Ein Helfer mußte kommen, der den Reiter zu sich auf sein Pferd herübernahm, und auch dieser Moment barg noch große Gefahren in sich. Manche Pferde bockten auch ohne Reiter weiter und mußten mit viel Geschick von zwei Helfern wieder aus der Arena gebracht werden.
    Es war ein waghalsiger Sport, mit wie ohne Sattel. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer war aufs äußerste gespannt. Zuerst wurde mit Sattel und Sporen geritten, dann kam die Reihe der Bewerber für den Ritt ohne Sattel, den Joe bevorzugte.
    Die Teilnehmer waren Amateure, Männer, die im Beruf Pferd und Lasso brauchten und damit aufgewachsen waren. Das Provinz-Rodeo konnte nicht Preise bieten, die die Professionals anlockten, jene Cowboys, die an Spezialschulen für die Rodeos trainierten und dann von Wettkampf zu Wettkampf in den großen Zentren zogen. Die meisten Zuschauer waren hier in New City wenigstens insofern sachverständig, als sie fast alle noch reiten gelernt hatten, wenn sie auch das Auto zur Fortbewegung bei weitem vorzogen. Die Zuschauer kargten dann auch nicht mit Kritik und Beifall, wenn schlecht oder besonders gut geritten wurde, und die Menschen hinter dem Zaun fühlten noch mit, was ein Reiter empfand, wenn er nach einem guten Kampf eine Sekunde zu früh geworfen wurde und seinen Einsatz verlor. Die Pferde selbst waren verschieden nach Kraft und Temperament, insofern waren die Vorbedingungen für die Reiter nie die gleichen, und mancher verdankte es nur dem größeren Phlegma seines Tieres, wenn er durchkam. Zierliche, gelenkige, blitzschnell reagierende Pferde wurden den Reitern meist gefährlicher als die größeren, stark erscheinenden, aber auch plumperen und langsameren.
    Queenie schaute bei allen diesen Wettkämpfen zwischen Mann und Pferd nur wenig in die Arena. Ohne es sich anmerken zu lassen – diese Taktik hatte sie sich sehr schnell angeeignet –, beobachtete sie das Publikum. Nach dem letzten Ritt auf dem gesattelten Pferd, der mit einem Sturz des Reiters in der siebenten Sekunde geendet hatte, entdeckte sie plötzlich den Burschen, der niemand

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