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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Kinder mit Cents in den Händen drängten sich zu den Buden und kauften sich Eis am Stiel.
    Drei jubelnde Kinder rannten den Hang herunter und stürzten sich auf Queenie. Es waren ihre kleinen Geschwister. Sie hängten sich an ihre Hände und an ihr Kleid und waren nicht so leicht wieder abzuschütteln. Mit staunenden Augen und großem Respekt betrachteten sie Joe, der am Wettbewerb teilnehmen konnte. Selbst noch einmal übermütig wie ein Kind warf er den Jüngsten in die Luft und fing ihn wieder, und nachdem der Dreijährige die erste Verblüffung überwunden hatte, rief er: »Noch einmal!«, was ihm gewährt wurde.
    Die nächsten Bekannten, die man traf, waren die Mitglieder der Familie Booth. Isaac Booth begrüßte Stonehorn wie ein Rancher seinen erfolgreichsten Cowboy oder ein Großbauer seinen strebsamen kleinen Nachbarn. Ein römischer Kaiser hätte nicht huldvoller gegen einen Gladiator mit Siegeschancen sein können. Mutter Booth lächelte verlegen-freundlich und interessierte sich für die kleinen Geschwister Halkett.
    Joe fand es an der Zeit, zu den Managern zu gehen, um zu erfahren, wie das Programm nun eingerichtet werden sollte. Mary, das Ranchermädchen mit den muskulösen Armen und dem nüchternen Sinn, war es dann, die den gefürchteten Kindermund auftat, um die Wahrheit kundzutun.
    »Stelle dir vor«, bemerkte sie zu Queenie, »Harold ist gesehen worden. Er will uns wohl hier überraschen. Die Leute sagen, er habe sich eine blonde Kurbelwelle angelacht, siebenfach in Fett gelagert, eine so etwa über vierzig. Das hat mir gefehlt. Einen guten Wagen soll sie aber haben, einen pompösen.«
    Hinter den gerunzelten Brauen von Isaac Booth grollte der Zorn. »Mary, schämst du dich nicht, das üble Geschwätz von Nichtstuern und Tagedieben zu wiederholen!«
    »Wieso? Das habe ich von Millers.« Miller war der Geschäftsführer der größten Tankstelle von New City. »Vielleicht hat sie nicht nur einen Wagen, sondern auch noch Geld, was nicht immer zusammen geht. Vielleicht ist sie eine Weiße, vielleicht aber auch eine Gemixte. Vielleicht will sie ihn heiraten, vielleicht auch nicht.«
    »Gewöhne dir nicht die Plaudersucht an, die deine Mutter abgelegt hat.« Isaac Booth wandte sich zum Gehen, um alles Weitere, was in seinen Augen nur die Bloßstellung einer höchst achtbaren Familie werden konnte, von vornherein abzuwehren. Queenie lächelte hinter den dreien her. Sie fühlte sich erleichtert und spielte mit ihren kleinen Geschwistern. Oben am Hang hatte sie auch schon Vater und Mutter entdeckt, und sie hatte das sichere und gute Gefühl, daß sie die Eltern werde begrüßen dürfen.
    »So allein, junge Frau?«
    Queenie hörte eine tiefe Brummstimme hinter sich, senkte die Augen und spielte weiter, als ob sie nicht verstanden habe, daß sie gemeint sei. Der große, starke Mann ließ sich aber nicht abschrecken.
    Er trat mit zu den Kindern heran, die ihn prüfend und etwas erschreckt ansahen, weil sein Gesicht durch ein gebrochenes Nasenbein und ein zerfetztes, vernarbtes Augenlid entstellt war. Als er aber eine Tüte Erd- und Paranüsse aus der Tasche zog und die Kinder von Queenie nicht gehindert wurden anzunehmen, schwand die Scheu. Sie teilten genau und futterten.
    Queenie ließ ihr Empfinden spielen, während sie den Mann nur wie nebenbei und ganz unauffällig musterte. Er trug einen Cowboyhut aus Stroh, ein rosa Halstuch mit blauen Streifen! Er hatte keinen Geschmack, und sein Selbstbewußtsein war primitiv. Queenie fühlte aber, daß dieser Mann nicht nur körperlich eine Stelle hatte, an der er das zweitemal getroffen zu werden fürchtete. Er war auch seelisch irgendwie verwundbar. Sie konnte nur noch nicht sagen, wie. Er war eine gestürzte Größe, er war ein verhinderter Weltmeister. Er war nicht von Kindesbeinen an Gangster gewesen, sondern aus Verbitterung einer geworden. Sicher konnte er organisieren, wie Stonehorn berichtet hatte; und sicher lagen ihm Boxhieb und Maschinenpistole mehr als Colt oder gar Stilett. Er war ein Kraftmensch, und Queenie hätte ihm jede Roheit zugetraut, aber keinen Sadismus.
    Ein Polizist ging vorüber, ohne Mike Beachtung zu schenken. Die Polizei mußte auf dem Rodeo-Platz gegebenenfalls für Ordnung sorgen, aber es schien sich nur ein kleines lokales Aufgebot hier zu befinden.
    »Auf eine so schöne junge Frau sollte der Mann aber besser aufpassen«, sagte die Brummstimme in einer noch unausgegorenen Mischung von Wohlwollen und Heimtücke.
    Queenie lächelte,

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