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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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soll er die ärztliche Hilfe und das Krankenhaus bezahlen, und von wem soll er noch einmal einen Ritt bekommen, wenn er den Invaliden spielt? Er selbst hat weder Pferd noch Geld. Warum kümmert Sie denn das?«
    »Vielleicht, weil mein Mann der nächste sein wird.«
    »Joe? Na, dann Hals- und Beinbruch. Der Schecke ist eine heimtückische Kreatur und hat im vergangenen Jahr schon zwei boys zuschanden gemacht. Er gehört jetzt Krader, dem Händler. Es ist ein Hengst!«
    »Sie waren selbst einmal Rodeo-Reiter?« fragte Queenie.
    »Sie haben den Gefängnisaufseher Rex gesprochen, liebe junge Frau. Aber mit sechzehn bin ich Cowboy gewesen; sieht man mir das immer noch an?«
    »Alles blöde Kerle«, sagte eine unangenehme Stimme hinter Queenie und dem Alten. »Ich jedenfalls hätte den Affen nicht dort am Zaun stehenlassen.«
    Queenie wandte sich nicht um, weil sie den Sprecher nicht sehen wollte und weil sie, auch ohne ihn anzusehen, wußte, wer er war. Diese Stimme hatte damals an ihrem Auto, in dem der betrunkene Bruder lag, gefragt, ob man dem Fräulein behilflich sein könne… Das mußte James sein. Wenn sie wünschte, daß jemand nicht mehr auf der Welt wäre, so war er es. Er hatte zu denen gehört, die sich nachher in die Prärie schlichen.
    Nr. 7, Bronc sattellos, Reiter Joe King, war an der Reihe.
    Joe King, der sich selbst in diesem Moment als Stonehorn fühlte, saß schon auf der Wand des Verschlages, in dem der Schecke auf das Ausbrechen lauerte. Er ließ sich jetzt auf das Pferd hinunterfallen. Es stieg sofort, schon in der engen Box, schlug mit den Vorderhufen, und als der Verschlag hastig geöffnet wurde, war es nahe daran, ebenso rasch zu Boden zu gehen.
    Das durfte aber nicht sein, damit wäre das Ende schon dagewesen. Stonehorn hatte nicht nur keinen Sattel, er hatte auch keinen der üblichen Zügel, sondern nur einen einzigen einseitig befestigten, dicken Strick zur Hand, wie es die Regel erforderte. Es gelang ihm, das Tier abzufangen und am Niedergehen zu hindern. Der erste Beifall kam auf. Dieser Hengst hatte Einfälle. Er warf seinen Reiter nur ein paarmal auf- und niederschnellend in die Luft, was dieser mit vorgestreckten Beinen, den einen Arm leicht nach hinten genommen, im Gleichgewicht parierte. Dann setzte der Schecke zu einem großartigen Sprung an und buckelte, alle viere in der Luft. Sein Reiter verlor den Hut, aber nicht die schwierige Balance. Das Tier hatte Sehnen! Hager war es, nicht zu groß und elastisch wie Gummi. Es kannte seine eigene Kraft und Geschicklichkeit, und daher rührte wohl sein Temperament. Kaum, daß seine Hufe den Boden wieder berührten, schlug der Hengst hoch nach hinten aus, und der Reiter mußte sich flach zurücklegen, um nicht über den Hals zu fliegen. Es hing an einem Haar, daß das Pferd mit diesem Manöver gesiegt hätte. Ein paar bewundernde Schreie und anerkennende Pfiffe ertönten, aber darauf konnte Queenie jetzt nicht achten. Sie war bei ihrem Mann auf dem Pferd.
    Der Schecke versuchte es mit seinen letzten Künsten. Er ging noch einmal mit allen vieren in die Luft und bockte – und jetzt – nein… es war ihm nicht gelungen, sich unter dem hochfliegenden Reiter zu Boden zu werfen. Den Bruchteil einer Sekunde früher war Joe wieder auf dem Rücken des Pferdes gelandet und hatte das Tier gezwungen, auf den Beinen zu bleiben.
    Die Zeit war um.
    Der Ansager selbst war in Begeisterung geraten über diese Leistung auf dem Rodeo von New City.
    »Time for Joe King! Time for Joe King!«
    Ja, die Zeit war gemacht und in einer bewunderungswürdigen Haltung, mit vielen Pluspunkten. Aber die Helfer konnten nicht an das Tier herankommen. Obgleich Joe den aufreizenden Riemen schon gelockert hatte, bockte der Hengst weiter. Es legte sich jetzt vor allem darauf, so, wie es auch das vorhergehende Tier versucht hatte, auszuschlagen und den Reiter an die Wand zu drängen. Da die Helfer nicht durchkamen, sprang Stonehorn in einem weiten, gefährlichen Sprung mitten aus dem Kampf mit dem Pferd ohne Hilfe ab und lief zuerst mit großen Sätzen zu dem Mann, der noch immer hilflos an dem Zaun stand. Unterdessen gelang es den berittenen Helfern, das Tier zum Ausgang zu drängen, wo es allmählich zur Ruhe kam.
    Beifall brauste auf. Bronc ohne Sattel mit Joe King war ohne allen Zweifel die Bestleistung des Tages von Reiter und von Pferd gewesen, und es war eine Leistung, wie sie sonst nur auf den großen und berühmten Rodeos für hohe Preise von Professionals gezeigt wurde.

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