Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
anders als Jenny sein konnte. Er saß gegenüber auf der Tribüne. Er saß für sich allein, rechts und links waren noch Plätze frei. Wenn er nicht in Männerkleidern gesteckt hätte, hätte ihn wohl jeder für eine Frau gehalten. Es war etwas Unnatürliches an ihm.
    Nach einer kurzen Pause begann das Reiten auf ungesattelten Broncs. Queenie wußte, daß ihr Mann den letzten Ritt hatte. Die ersten fünf Reiter beachtete sie daher noch kaum. Sie wußte aber, daß Harold und seine Blonde bei der Familie Booth auf der Tribüne saßen, daß Mike noch immer mit Rodeo-Angestellten und jenen Reitern, die ihr Pensum absolviert hatten, am Eingang der Teilnehmer stand und daß Jenny einsam und in gleichgültiger Haltung auf der Tribüne hockte. Sie war auch bei Margret gewesen. Niemand war bisher an das Auto herangekommen. Niemand hatte irgendein verständliches oder unverständliches Interesse dafür gezeigt.
    Ein Mann, auf den die Charakteristika von James paßten, war noch nirgends in ihrem Gesichtskreis aufgetaucht.
    Mike hatte gelegentlich geklatscht. Jenny pfiff, als ein Pferd nicht bocken wollte. Es blieb schlicht und gemütsruhig stehen und war zu keinerlei Opposition zu bewegen. Als der Reiter das Tier, nicht eben in guter Laune, selbst wieder aus der Arena hinausführte, begann es plötzlich auszuschlagen. Aber nun war es zu spät. Die Preisrichter erlaubten keinen zweiten Versuch. Der Einsatz war verfallen.
    Queenie konnte nicht entdecken, daß mit Mike jemand gemeinsam geklatscht oder mit Jenny gemeinsam gepfiffen hätte. Was die Polizei anbelangte, so stand sie mit einem bescheidenen Jeep bereit. Der Sanitätsdienst hatte einen Rettungswagen herangefahren, der vor allem für unglücklich gestürzte Reiter benötigt zu werden pflegte.
    Die Menschen gaben sich ungestört ihrem Sonntagsvergnügen hin. Die Kinder der verschiedenen Familien hatten schon Bekanntschaft miteinander gemacht und rannten im Zuschauerrevier unbekümmert und unbehindert über den Rasen und zwischen den zahlreichen parkenden Autos hindurch. Da es sehr heiß geworden war, machten die Budenbesitzer vor allem mit Eis und den erfrischenden Getränken ein gutes Geschäft.
    Reiter Nr. 6, der Vorgänger Joe Kings, kam an die Reihe. Queenie richtete ihre Gedanken von nun an ausschließlich auf die Arena. Nr. 6 hatte ein strammes, aber phantasieloses Pferd. Als es mit einem Sprung dem Verschlag entronnen war, legte es sich ausschließlich darauf, seinen Rücken auf und ab zu schnellen, und zwar so rasch und so spannkräftig, daß der Reiter bei jedem Mal in die Höhe und wieder auf den Pferderücken herunterflog. Es hatte auch ganz offenbar im Sinn, den Reiter an die Wand zu drängen, aber das mißlang ihm. Mit dem Auf- und Abschnellen hatte es mehr Erfolg. Der Reiter, dessen Wirbelsäule bei jedem Schnellen mehr in Mitleidenschaft gezogen werden mußte und dem es von halber Sekunde zu halber Sekunde schwerer fiel, das Gleichgewicht zu halten, stürzte nach siebeneinhalb Sekunden mit verzogenem Gesicht so schwer, daß er liegen blieb. Das Pferd aber hatte noch nicht genug. Es schnellte sich in seinem unglaublich schnellen Takt weiter, und der Gestürzte kam in Gefahr, auch noch von den Hufen getreten zu werden. Da die beiden Helfer sich um das aufgeregte Tier kümmern mußten, das wegzubringen ein Kunststück für sich blieb, sprang Joe King mit den Sanitätern in die Arena, um dem Gestürzten behilflich zu sein und ihn zu bergen. Als der Verunglückte die Sanitäter und den Rettungswagen sah, der jetzt vorsichtig in die Arena fuhr, winkte er plötzlich ab und erhob sich, äußerst mühsam, von dem Arzt und Joe geschickt gestützt. Queenie erkannte, daß ein kurzer Wortwechsel stattfand, dann wandte sich der nahezu Gelähmte von Arzt und Sanitätern ab und erlaubte nur Joe King, ihn langsam bis zu dem Bretterzaun zu führen. Dort blieb er, halb angelehnt, stehen. Joe sprach ihm offenbar gut zu, denn der hilflose Mann innerhalb der Arena war nicht nur selbst in Gefahr, sondern gefährdete auch noch alle in den folgenden Wettbewerben, die auf ihn Rücksicht nehmen mußten oder wollten. Doch blieb der Verletzte hartnäckig, und der Sanitätswagen fuhr wieder hinaus.
    »Warum will er sich nicht fortbringen lassen?« fragte Queenie einen Mann, der neben ihr am Zaun stand und wie ein alt gewordener Cowboy und Sachverständiger wirkte.
    Der Alte musterte die junge Frau, ob sie einer Antwort würdig sei, und sagte dann: »Weil er ein armer Teufel ist. Wovon

Weitere Kostenlose Bücher