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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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versuchte, dem Starknackigen den Kopf so zu drehen, daß das Tier sich fallen lassen mußte, um nicht das Genick zu brechen. Die schwarzen jungen Stiere waren wendig, schnell und kräftig. Der Ausgang des Kampfes zwischen Mann und Tier war immer ungewiß und die Übung sehr anstrengend, auch gefährlich. Ein Rodeo-Clown stand bereit, um im Gefahrenfalle einzugreifen. An vielen anderen Plätzen wurden für diesen Wettbewerb anstelle der Stiere Ochsen gebraucht – daher die Bezeichnung steer-wrestling –, aber in New City hielt man an der gefährlicheren Gewohnheit fest. Stonehorn war an vierter Stelle angesetzt. Er wurde wieder mit Beifall begrüßt, aber diesmal war der Vorapplaus schwächer. Manche meinten wohl, daß dieser Mann sich zu sehr vordränge. Wollte ein Indianer allround champion werden?
    Stonehorn hatte ein geborgtes Pferd, da er seine eigenen Pferde aus einem gewissen Mißtrauen heraus auch für diesen Zweck nicht nach New City hatte bringen wollen. Es wäre das auch mit weiteren Kosten verbunden gewesen. Was das Pferd anbetraf, so kam es darauf an, daß es sehr rasch hohe Touren des Galopps erreichte und daß sein Galopp schnell war, kurzum, daß es die gleichen Eigenschaften wie ein guter Wagen besaß. Die Strecke, auf der sich alles abspielte, und die gegebene Zeit waren relativ kurz, und es galt als einer der springenden Punkte für den Ausgang des Kampfes, wann der Reiter den Stier einholen und fassen konnte. Noch wesentlicher aber war, was für ein Tier man dem Reiter gab. Die Stiere waren von verschiedener Findigkeit. Stonehorn hatte das Gefühl, daß man ihm die letzte Aufgabe schwer machen würde. Es gab sicher genug Leute, die ihn einmal im Grase liegen sehen wollten.
    Der Stier, auf den es ankam, war aus dem Gehege geholt und an die gegenüberliegende Seite der Arena gebracht worden. Er strebte natürlicherweise, sobald er freigelassen wurde, zu seiner Herde zurück; er wurde dazu auch noch beim Start angetrieben.
    Er preschte los, und die beiden Reiter kamen ihm im gestreckten Galopp von hinten rechts und links zur Seite.
    Queenies Augen waren in Besorgnis und Spannung aufgerissen, als sie beobachtete, wie ihr Mann vom Pferderücken auf den langhörnigen Stier hinüberhechtete, wie sein Pferd zurückfiel, wie er mit den Füßen zu Boden glitt, die beiden Hörner noch in den Fäusten, und wie er versuchte, das Tier in seinem Galopp zu bremsen. Es war ein starkes Tier, und Stonehorn war zwar sehr gewandt und schnell, aber er war kein Muskelprotz. Er durfte auch nicht so lange mit dem Tier um die Wette laufen, wie er vermochte… die Strecke und die Höchstzeit waren gegeben… er mußte das Tier stoppen… es war ein starker und entschlossener junger Stier – Joe mußte ihn stoppen, oder das Geld war verfallen. In den Gesichtern vieler Zuschauer malte sich schon die Besorgnis, wie der Kampf ausgehen werde, denn Stonehorn war gestolpert, und es hätte nur noch eines kleines Fehltretens bedurft, und schon wäre er von dem triumphierenden Tier im Staub geschleift, abgeschüttelt und mit den Hörnern angegriffen worden. Der Stier spürte wohl, daß er Aussichten hatte. Er setzte seine Kraft mit Angst und Wut ein. Da… doch – er stand.
    Stonehorn hatte sofort den Griff gewechselt und mit der einen Hand dem Stier in die Nase gegriffen, um den Kopf zu drehen. Eben der erste Ruck war dabei wichtig. Stonehorn wurde es schwarz vor den Augen vor Anstrengung. Nur in ganz jungen Jahren war es Männern überhaupt möglich, in diesem Kampf zu siegen. Die Älteren mußten von einer solchen Aufgabe abstehen. Sie verloren die Kraft, oder sie verloren die Schnelligkeit, die beide in hohem Maße erforderlich waren.
    Stonehorn kämpfte. Der Stier stand wie aus Stein gehauen und hielt seinen starken Nacken steif. Er drückte gegen die Kraft der Arme, die allein durch die Hebelwirkung des langen Hornes siegen konnten. Höchstens fünf Sekunden blieben noch, dann hatte Joe überhaupt keine ›time‹ mehr; jetzt hatte er schon eine schlechte! Er wußte das nicht, aber er fühlte die Spanne… und er fühlte die Kraft, die ihm entgegenstand. Endlich… ein letzter wütender Ruck: Der Stier gab nach und ließ sich fallen. Stonehorn stand gebeugt, zitternd, naß von Schweiß am ganzen Körper. Sein Puls ging schnell. Er hielt sich mit Mühe auf den Beinen, und er hörte nur wie von ferne die Stimme des Ansagers:
    »Time for Joe King.«
    Er fuhr sich mit der Hand über das Haar – den Hut hatte er längst wieder

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