Nacht über der Prärie
»Wie geht es Ihnen?« ohne Händedruck. Margot, die Frau des blinden Richters, bettete Queenie, die erst widerstreben wollte, sich dann aber fügte, auf die Couch, schob ihr ein Kissen unter den Nacken, gab ihr eine Decke über die Füße und brachte eine frische Tasse. Sie schraubte den Brenner höher, bereitete noch einmal Tee und reichte ihn Queenie auf einem kleinen Tablett. Alle ihre Bewegungen waren ruhig und sicher. Sie hatte ein ovales, in sich geschlossenes Gesicht, aus dem die großen braunen Augen mit einer Menschenliebe ohne Worte sprachen. Margot setzte sich zu Queenie an die Couchkante; bei ihr auf dem Teppich spielte ihr Junge mit bunten Bauklötzchen. Queenie, die sich vor der übrigen Gesellschaft erschreckt hatte, wurde wieder ruhiger. Im Kreis um den Tisch saßen Kate Carson und Haverman, Harold Booth und seine blonde Freundin und der blinde Richter Ed Crazy Eagle. Queenie beobachtete alle diese Gäste unter gesenkten Lidern, unter der Maske der durch Erschöpfung erzwungenen Interesselosigkeit. Haverman war teigblaß, Harold Booth kaute an der Unterlippe. Seine Freundin schaute mit gekrampftem Bedauern auf die junge Frau, die von dem Tee nippte.
»Sie wundern sich wohl, was hier alles auf einem Haufen beisammen zu finden ist, Queenie«, knüpfte Kate Carson den Faden des Gesprächs zu dem neuen Gast. »Wir sind alle schon heute früh gefahren, in Kolonne, um vor einem Überfall so sicher wie möglich zu sein! Die Polizei suchte noch den Hauptverbrecher Jenny – und hatte uns gewarnt, wir sollten vorsichtig sein. Es war ja auch eine Nacht, die für die Television getaugt hätte! Grauenvoll. Seit Mittag erholen wir uns nun gemeinsam hier auf Kosten von Eivies Küche und Vorräten, und langsam wird uns wieder wie unter normalen Menschen zumute.«
Queenie wollte es einen Augenblick schwindeln. Sie stellte sich die Kolonne vor und dahinter ihren Wagen mit hundertzwanzig Meilen Stundengeschwindigkeit.
Da Kate Carson Queenie Tee trinken sah, holte sie sich auch noch eine Tasse. »Und nun erzählen Sie mal, Booth! Sie hatten doch eben die Absicht.« Der heitere Ton klang gekünstelt. Die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich aber willig auf den heimgekehrten Ranchersohn.
Harold sah nicht aus, als ob er eben eine andere Absicht gehabt habe, als sich bei dem Vergleich zwischen Queenie King und Bessie Fox in jene Hinterkammer seines Bewußtseins zurückzuziehen, in der er sich still vor sich hin ärgern konnte. Er sah seine ehemalige Angebetete auf der Couch, jung und anmutig. Die achtzehnjährige Indianerin war sich in diesem Augenblick durchaus ihrer selbst bewußt. Ihre braunhäutigen Hände, fein gegliedert wie ihr ganzer Körper, lagen ruhig auf der Decke, als ob sie Modell für einen Bildhauer sein müßten. Kaum zwei Meter von ihr entfernt war Bessie Fox in einen Sessel eingesunken. Die Frau, die Mary Booth sich nicht als Schwägerin wünschte, befand sich für Harold im Zeichen von Marys Spottwort: »Kurbelwelle, siebenfach in Fett gelagert«; er vermochte sich dagegen nicht mehr zu wehren; er sah, daß Bessie dick war, eine Verkörperung undisziplinierten Essens, und daß ihre Haut welkte. Die kleinen Wurstfinger, die heiter und zärtlich wirken konnten, schienen ihm nun unförmig. Er versuchte, seine Aufmerksamkeit auf die silberblondierten Haare zu richten, die gepflegt und sehr gut gelegt waren, nicht verwunderlich bei dem Ruf, den der Frisiersalon des Vaters der einzigen Tochter genoß. Aber der Reiz der schwarzglatten Straffheit von Queenies Haar siegte wiederum, und Harold, der wider Willen auf den Turnierplatz des Gespräches gerufen war, richtete das Wort an diese.
»Television… ja. Aber auf dem Bildschirm nicht die rasenden Fans oder die Gangster mit ihren schmutzigen Weibern und ihren mörderischen Maschinenpistolen, nicht Blut und nicht Tod – sondern Sie, Queenie, wie Sie auf dem Podium Ihren durchaus eigenen Shake getanzt haben. Das war wunderbar!«
Die blonde Welle wallte ein wenig, wuchs aus dem Sessel und bemerkte: »Ein Shake, bei dem Missis King vollständig im Einklang war mit ihrem Mann!« Sie hatte leise begonnen und setzte das letzte Wort betont, wie einen Schlußpunkt im Diktat.
Aber Harold fühlte sich nun ebenfalls gereizt durch die triviale Korrektur seines Stimmungsbildes. »Es kann sein, daß Joe ebensogut getanzt hat. Ich habe ihn aber nicht gesehen.«
Queenie ersparte sich jedes Eingreifen in dieses Gespräch. Sie trank langsam, Schluck für Schluck den
Weitere Kostenlose Bücher