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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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goldbraunen Tee. Eivie bevorzugte in seinem Hause die besten Sorten. Während sie sich mit dem Getränk erfrischte, dachte Queenie nach. Wo parken diese Leute nur ihre Wagen? Vor dem Haus habe ich sie nicht gesehen. Sonst wäre ich auch nicht hier hereingegangen. Aber nun muß ich so gut wie irgend möglich bestehen.
    »Ach«, sagte Bessie Fox mit einem gewissen Vergnügen in der Stimme, weil ihr ein neuer Einfall gekommen war. »Missis King, wissen Sie schon, daß der große E-Boxer Mike nun als ein Gangster-Boss entlarvt und außerdem ums Leben gekommen ist? Was machte er noch für eine prominente Figur, als er Ihnen den Rosenstrauß überreichte!«
    Harold Booth bewegte ein wenig die Schultern, als ob er sich vergewissern müsse, daß sie nicht gerade schmal seien. Er war aufgestanden und reckte sich zu seiner vollen Höhe von einsfünfundachtzig.
    »Vielleicht ist es sogar Mike, diese mächtige Figur von mindestens zweihundert Pfund gewesen, in deren Taschen meine zweihundert Dollar verschwunden sind.«
    Ein allgemeines Oh und Ah begrüßte den neuen Diskussionspunkt. »Sie sind bestohlen worden!« unterstrich Haverman mit seiner schwachen Stimme, deren Mangel an Lautstärke durch die Akzentuierung ausgeglichen wurde.
    »Erzählen Sie!« rief Kate Carson. »Sie waren doch an dem unheimlichen Tisch in der Ecke… an dem interessantesten Tisch des Abends, Booth. Wie sind Sie eigentlich dorthin gekommen?«
    Man steckte sich neue Zigaretten an, bemüht, die betäubende Angst, die man bei dem Gemetzel empfunden hatte, nun in der Sicherheit von Eivies gastlichem Haus als bloßes Gruseln nachklingen zu lassen.
    Bessie Fox nahm die Zigarette aus dem Mund. »Wie wir dahin gekommen sind?« riß sie den Faden des Gesprächs wieder an sich, da Harold zu lange gezögert hatte, »wie wir dahin gekommen sind? Durch die Vertrauensseligkeit von Harold! Ja, Harold, ich muß dir sagen, daß du viel mißtrauischer werden mußt. Du bist ein Indianer, und du glaubst noch an die Menschen. Das mußt du dir abgewöhnen!«
    »Ich kann mich nicht erinnern, Bessie, daß du mehr Mißtrauen als ich gegen den starken Mike gezeigt hättest, als wir ihm begegneten und er uns an seinen Tisch einlud, weil wir keinen anderen Platz mehr finden konnten.«
    »Mike, das war ja auch Sondernummer. Aber als wir dann an den großen Ecktisch kamen mit diesen Gestalten… Figuren… Kerlen… Weibern… Weibern! Ich wollte so rasch wie möglich wieder weg, aber dir, Harold – ja, ich fürchte tatsächlich –, hatte es dir nicht die junge Schwarze ein wenig angetan? Körper wie eine Schlange!«
    »Kleiner Irrweg – nehme ich gern auf mich, Bessie. Du saßest ja wohlbehalten bei Mike.«
    »Tat ich. Und dann ging das los.« – Die Zuhörer lauschten gespannt und ermuntert. – »Sie haben dich offenbar für den gut verdienenden Viehaufkäufer eines Schlachthauskonzerns gehalten und viel mehr in deinen Taschen vermutet als zweihundert Dollar… oder wenn nicht in deinen Taschen, dann doch im Hotel oder in deinem Safe… Du wurdest auf irgendeine überraschende Weise anziehend für solches Pack. Obgleich, wie das Exempel beweist, der Instinkt auch solche Leute noch täuschen kann.«
    Harold war von der Vorstellung ›Viehaufkäufer‹ nicht sehr eingenommen. Wenn Bessie wenigstens ›Cowboy‹ gesagt hätte. Aber die junge Künstlerin auf der Couch und Viehhandel – das vertrug sich nicht. Alles, was mit Geld und Handel zusammenhing, war für Indianer noch anrüchig.
    »Jedenfalls wollte ich bald wieder weg von diesem Tisch«, schloß Bessie, »aber du wolltest nicht, und so fand ich Schutz bei Mister Haverman und Missis Carson, während du in diesem Sündenbabel der Verrücktheit und der Gefahr allein geblieben bist.«
    »War es nicht besser so, Bessie?«
    »Aber ohne Zweifel war es besser so, Harold. Ich glaube, du kamst auf diese Weise noch zu einem Hochprozentigen von sagenhafter Qualität. Hab ich recht?«
    »Jedenfalls ließ ich nachher dich ans Steuer.«
    Die Zuhörer lächelten. Der geringfügig erscheinende Zwist bereitete den meisten einen Spaß, nach dem sie jetzt verlangten.
    »Jedenfalls fand sich dann Gelegenheit, dir zweihundert Dollar aus der Tasche zu ziehen. Du weißt ja, wie das zuging.«
    »Ich weiß nicht, ob Mike es gewesen ist, der mir die zweihundert geklaut hat. Er sah nach größeren Sachen aus. Vielleicht war es eher der Blondlockige. Das ist eine Figur gewesen – wie der zum Beispiel mit Ihrem Mann getanzt hat, Queenie… das

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