Nacht über der Prärie
Unberechenbares, nichts Kunstgerechtes. Alle Regeln schienen gesprengt.
Queenie haßte dieses Bild schon, während sie es schuf, denn es wehte ein feindlicher Atem hindurch.
Die Rüben wurden gar, und Queenie aß mit der Großmutter zusammen. Ihre Gedanken arbeiteten in Fetzen. Zum erstenmal seit dem Tod des alten King dachte sie wieder daran, daß in diesem Haus eine Mutter den trunkenen Vater erschlagen hatte, und das Schreckensbild des alten King in der Nacht stand noch einmal vor ihr. Es schien alles hell und licht um Queenie; die Tür zu der von gleißender Sonne beschienenen Wiese stand offen. Aber sie dachte und fühlte im Dunkeln wie unter schwarzen Tieren. Die Großmutter legte ihr beim Aufstehen die Hand auf die Schulter.
»Das kommt zuweilen«, sagte sie. »Wenn die bösen Geister wach werden.«
Queenie war verwundert und schien ruhiger zu werden.
Am Abend war Stonehorn noch nicht zurück.
Queenie lag allein und schob die Decken beiseite, die mit der Hitze verbündet waren. Übereck lag die Großmutter, und die beiden Frauen konnten zueinander hinschauen.
Queenie hielt die Augen lange offen, denn sie hatte Angst vor den Träumen dieser Nacht.
Die Stube im kleinen Holzhaus blieb auch in der Nacht noch drückend heiß, obgleich die Tür offenstand. Die dürren Hunde huschten vorbei. Sie hatten Hunger. Bis über Mitternacht zirpten die Grillen rings in den Wiesen. Als die Großmutter sah, daß Queenie sich auch mit offenen Augen nicht gegen die Träume zu wehren vermochte, kam sie herüber und setzte sich zu der jungen Frau. Ihre Hand war kühl und fest.
»Habt ihr kein Zelt?« fragte sie.
Queenie fuhr auf; sie mußte ihre Gedanken erst umlenken. Daheim hatte die Großmutter noch das alte Zelt, in dem sie aufgewachsen war, das Zelt der Büffeljäger. Im Sommer, wenn es im Holzhaus schier unerträglich wurde, pflegte sie, wie so manche anderen alten Indianer, noch im Zelt zu schlafen, und oft hatte Tashina zu ihr aufs Lager kommen und in den Nächten die Geschichten vernehmen dürfen, die die alte Frau leise wie Geheimnisse erzählte.
»Es ist wahr«, sagte Tashina, »wir sollten auch ein Zelt für den Sommer haben. Stonehorn hat schon einmal davon gesprochen.«
Gegen Morgen schlummerte sie endlich ein.
Als sie wach wurde, ging sie zu den Pferden, koppelte sie und ritt mit der Großmutter zusammen los, um die Tiere zu einer Tränke zu bringen. Weit entfernt war ein Bach, der auch in Trockenzeiten an einigen Stellen Wasser zurückzulassen pflegte, das für Menschen allerdings nicht geeignet war.
Queenie ritt ihre Stute und führte den Scheckhengst, der voller Einfälle tänzelte, aber doch gutwillig mitkam. Die Großmutter saß auf Stonehorns Dunkelbraunem; sie hatte die zweite Stute am Zügel. Die alte Frau war keine schlechte Reiterin.
Stonehorns Dunkelbrauner kannte die Wasserstelle, und sobald er erfaßt hatte, daß es in diese Richtung ging, setzte er sich von selbst in lebhafteren Galopp. Nun wurde es allerdings schwierig, den Schecken noch im Zaum zu halten, da dieser den anderen nicht voranzulassen gedachte. Tashina hatte keine Zeit mehr, Träumen nachzuhängen.
Am frühen Nachmittag kamen die Frauen mit den Pferden zurück. Von ihrem hoch gelegenen Haus aus beobachteten sie einen Wagen, der aus Richtung der Agentur in die Talstraße einfuhr. Es war nicht Stonehorns Wagen; es war nicht der Familienwagen der Booth. Harolds neueste Erwerbung war das. Der Volkswagen wurde von der Straße auf den Seitenweg gelenkt, der zu dem Hause der Kings hinaufführte. Queenie verschwand im Haus und schloß die Tür. Mit der Großmutter brauchte sie keine Abrede zu treffen. Diese wußte, wie sie sich zu verhalten hatte.
Ruhig, weder unaufmerksam noch neugierig, erwartete Untschida den Ankömmling.
Harold hielt, schob seine lange und breite Gestalt aus dem Wagen heraus, klappte die Tür zu und kam zu der Alten heran.
»Sind deine Kinder nicht da?« fragte er. Damit konnten nur Joe und Queenie gemeint sein.
Die Großmutter beantwortete die Frage nicht, sondern schaute den jungen Mann nur an, als erwarte sie Erläuterungen zu solch unbegründeter Neugier.
»Ihr braucht natürlich nicht so weit zu reiten, um Wasser zu holen. Ihr könnt es bei uns haben. Der Brunnen gibt genug. Und ihr könnt auch die Pferde bei uns zur Tränke bringen. Das läßt euch mein Vater sagen.« Harold warf einen Blick auf den Scheckhengst. »Wäre ja schade um das prächtige Tier.«
Die Großmutter nickte langsam.
Harold
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