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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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schob sich wieder in seinen Volkswagen hinein, wendete und balancierte auf den eingetrockneten Wegfurchen langsam abwärts.
    Die Großmutter machte sich noch ein paar Minuten zu schaffen, dann ging sie ins Haus und berichtete Queenie die Worte des Harold Booth.
    Queenie saß auf der Bettstelle und hatte die Hände im Schoß zusammengelegt.
    »Er muß etwas wissen, sonst wäre er nicht jetzt gekommen«, sagte sie. »Wenn Stonehorn heute abend nicht zurückkehrt, reite ich morgen auf die Agentur.«
    »Sie können Menschen stehlen, aber nicht einen Wagen«, antwortete die Großmutter. »Du wirst es sehen, meine Tochter, so sind sie!«
    Eine Stunde, nachdem Harold Booth aufgetaucht und wieder verschwunden war, zeigten sich zwei Wagen auf der Straße unten; ein Dienstwagen und das Cabriolet Stonehorns.
    Beide lenkten in den Seitenweg ein und kamen miteinander zu Kings Hütte herauf. Ein Mann in mittleren Jahren, in gute Stoffe, aber demokratisch-salopp gekleidet, und ein junges – nicht mehr ganz junges – Mädchen stiegen aus. Der Mann hatte am Steuer von Stonehorns Wagen gesessen, das Mädchen hatte den Dienstwagen gefahren.
    Queenie stand auf der Türschwelle; die Großmutter war in der Stube. Die beiden Ankömmlinge grüßten mit »Wie geht es Ihnen?«, was Queenie – wie üblich – mit der gleichen Frage beantwortete.
    »Brown«, stellte sich der Mann vor, und Queenie wußte nun, daß er Havermans Stellvertreter war. »Wir haben Ihnen den Wagen zurückgebracht. Grüße von Ihrem Mann, und er ist für ein paar Tage nach New City und Carneyville gefahren; der Superintendent hat ihn in seinem Wagen mitgenommen.«
    Brown hatte die Hände in den Hosentaschen und schaute sich um. Langsam ging er zu der Koppel, in der sich der Scheckhengst mit einer Stute befand. Die beiden anderen Tiere weideten draußen.
    »Guter Anfang, guter Anfang. Die Preise für solche Tiere sind im Steigen. Wirklich, ein guter neuer Anfang!« Er lächelte Queenie breit zu, etwa wie ein Lehrer, der glücklich ist, seine heranwachsenden Schüler loben zu können. »Übrigens – Miss Thomson, Chefsekretärin – «, stellte er die schlanke dunkelhaarige Zwanzigjährige vor, die ausgesprochen hübsch und intelligent, für Queenies Empfinden aber zu bewußt wirkte.
    »Wieviel Land gehört Ihnen denn nun?« Brown wurde knapp und sachlich, vom Scheitel bis zur Sohle Dezernent.
    »Hundertsechzig acres zu freier Nutzung und dreihundertvierzig dazugepachtet. Nach dem Rodeo.«
    Brown formte die Lippen zu einer wohlwollend wirkenden Schnute.
    »Lassen Sie sich doch mal bei uns sehen! Klappt die Zusammenarbeit mit der Ranch von Booth drüben? Bei der Wasserknappheit könnten die Ihnen doch aushelfen!«
    »Harold Booth war bereits hier, um das anzubieten.«
    »Aber das ist in der Tat ausgezeichnet! Also Sie kommen mal bei uns vorbei?«
    »Ja.«
    Brown nahm Miss Thomson mit sich in den Dienstwagen und fuhr in Richtung der Agentur zurück. Sobald er den Seitenweg verlassen und die Straße erreicht hatte, fuhr er so schnell wie erlaubt. Er machte mit dieser Fahrt schon Überstunden.
    Queenie schlief in dieser Nacht fest und ungestört von Träumen und Gesichtern. Sie war vor Sonnenaufgang schon wieder auf, zog Hose und Bluse an, nahm den Cowboyhut und vergaß nicht, ihr Messer und das Aquarell mitzunehmen, das überraschend schnell vollendet war. Ein paar Dollars hatte sie in der Tasche. Sie umarmte die Großmutter zum Abschied, und die alte Frau sagte: »Vor der Jagd und vor dem Kampf träumt ein Indianer. Wenn der Kampf beginnt, ist er wach. Ich kenne dich, meine Tochter.«
    »Und führe die Pferde nur hinüber zur Tränke, und hole das Wasser am Brunnen der Booth. Du kannst tun, was ich nicht tun könnte. Ich weiß nicht, wie lange ich fort sein werde. Ich fürchte, sie haben Stonehorn an dem Marterpfahl, den sie den ›dritten Grad‹ nennen. Ich muß ihn suchen.«
    »Das mußt du.«
     
    Von verdorrtem Gras bedeckt lag die Prärie unter Sonne und Wind. Da und dort weideten Rinder; Rinnsale liefen und sickerten in sandigen Bachbetten. Es hatte sich seit Hunderten und Tausenden von Jahren und auch nach zwei Weltkriegen am Lande selbst nicht viel geändert. Die Siedlung der Reservationsverwaltung, die über die hier ansässig gemachten Indianer regierte, lag noch immer wie ein fremdartiger Fleck in der Wildnis des endlosen Viehzuchtgeländes. Es gab auf der Reservation zwei befestigte Straßen mit einigen seitlichen Zufahrten.
    Ein staubbedeckter Chevrolet,

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