Nacht über Eden
er hat versprochen, die Berichte umgehend zu schicken. Nach allem, was er mir am Telefon erzählt hat, bin ich sicher, daß du wieder ganz gesund werden wirst. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
»Ich weiß, daß ich wieder gesund werde, Dr. Williams. Jetzt bin ich mir ganz sicher.«
»Gut, Annie.« Er stand auf und wandte sich an Tante Fanny.
»Sie wird bald wieder in Ordnung sein, aber sie soll sich jetzt erst mal ein paar Tage schonen.«
»Hörst du, was der Doktor sagt?« mahnte Tante Fanny.
»Ich komme bald wieder vorbei.« Er lächelte mich ermutigend an und tätschelte meine Wange.
Tante Fanny wollte ihn hinausbegleiten.
»Tante Fanny, bitte schick Drake herein. Ich muß mit ihm reden. Das kann ich doch, nicht wahr, Doktor?«
»Sicher, solange du dich nicht aufregst.«
Als Drake hereinkam, sah er bedrückt aus, doch der Ärger schien immer noch unter der Oberfläche zu brodeln.
»Bitte, Drake, komm her, und setz dich zu mir. Ich möchte mit dir reden. Keine Angst, Dr. Williams hat es mir erlaubt.«
Er blieb an der Tür stehen, dann kam er ein paar Schritte näher, doch ich sah ihm an, daß er nicht daran dachte, sich zu setzen und mir ruhig zuzuhören.
»Du kannst nicht auf das hören, was der alte Dr. Williams sagt. Er ist nur ein Landarzt. Bitte laß mich deine Sachen zusammenpacken und dich wieder nach Farthy bringen.«
»Drake, das letztemal, als du mich in Farthy besucht hast, hast du versprochen, mir zu helfen von dort wegzukommen, wenn ich es unbedingt wollte.«
»Das habe ich nur gesagt, weil du von den Medikamenten und all dem so durcheinander warst.«
»Drake, es waren nicht die Medikamente. Das Ganze begann mit Mrs. Broadfield. Sie war so häßlich zu mir!«
»Nun… Tony hat sie doch entlassen, oder? Er hat eine andere Krankenschwester gesucht. Das war doch kein Problem.«
»Tony war das Problem, Drake. Tony war ein großes Problem. Er wollte nie, daß ich gesund werde.«
»Was? Nun hör mal zu…«
»Nein, jetzt hörst du mir bitte zu. Tony wollte, daß ich für immer dableibe. Er wollte mich in seiner wirren Phantasiewelt gefangenhalten. Er hat meine Genesung bewußt hinausgezögert, damit ich in diesem Bett bleiben müßte und länger von ihm abhängig wäre. Warum hätte er sonst meinen Rollstuhl und meine Gehhilfe aus dem Zimmer entfernt, nachdem ich ihm gezeigt habe, daß ich allein aufstehen konnte? Er wollte nicht, daß ich das Zimmer verlasse!«
»Ich bin sicher, er wollte nur verhindern, daß du dich übernimmst und damit deine Genesungschancen verringerst.«
Er lehnte sich lächelnd zurück. »Kranke sind oft zu ungeduldig und wollen zu schnell wieder auf die Beine kommen und…«
»Nein, Drake, ihm ging es nicht um mein Wohlergehen. Er hat nur an sich selbst gedacht.«
»Nun, Annie«, sagte er und beugte sich dabei vor, »ich weiß…«
»Er ist krank!« Ich hob die Stimme und meine Augen weiteten sich. Die plötzliche Entschlossenheit, die ich ihm entgegensetzte, ließ ihn für einen Moment innehalten. »Drake, er… er kam nachts zu mir und dachte, ich wäre meine Großmutter Leigh!«
»Was?« Ein ungläubiges Lächeln glitt über sein Gesicht.
»Ja, er wollte… er wollte mich lieben, da er dachte, ich wäre Leigh.«
»O Annie, sicherlich hattest du Halluzinationen, die durch deine Medikamente hervorgerufen wurden. Tony ist einfach…
nur ein einsamer, alter Mann. Und darum bin ich auch gleich hergekommen«, sagte er. Er hatte jetzt einen belehrenden Ton angeschlagen. »Du hast ihm das Herz gebrochen, als du zugelassen hast, daß Fanny und Luke dich aus Farthy holten.
Als er mich anrief, war er den Tränen nahe. Er hat nicht verstanden, warum du gefahren bist, ohne dich von ihm zu verabschieden. ›Ich habe doch alles für sie getan‹, hat er mir am Telefon gesagt. ›Und ich würde noch mehr tun, alles, was sie will! Ich wollte sogar Farthy renovieren!‹«
»O Drake, warum verschießt du die Augen vor dem, was dort geschieht?«
»Ich verschließe nicht die Augen. Ich sehe einen freundlichen alten Mann, der bestrebt ist uns zu helfen, der mir eine wichtige Position übertragen hat… der mir die Leitung der Willies-Spielzeugfabrik versprochen hat und auch viele andere Projekte… Jemanden, der in medizinischer Hinsicht alles für dich getan hat, der bereit ist, keine Kosten zu scheuen, damit du wieder gesund wirst.
Aber ich sehe auch meine Halbschwester, diese Schlampe, die dir nichts als Lügen erzählt hat, nur um dich hierher zurückzuholen, nur
Weitere Kostenlose Bücher