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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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zum Pavillon führten, hielt er an, stellte sich neben mich und ergriff meine Hand.
    »Zuerst werde ich dich hinauftragen und dich auf die Bank setzen.«
    Er legte seine Arme um meinen Körper und hob mich behutsam auf. Ich schlang meinen linken Arm um seinen Hals und unsere Wangen berührten sich. Dann trug er mich langsam und vorsichtig die Stufen zu unserem Pavillon hinauf und setzte mich sanft auf eine Bank. Er blieb vor mir stehen, ohne meine Hand loszulassen, und sah mich an. Ich lehnte mich zurück und ließ meinen Blick umherschweifen.
    »Es stimmt, was du über das Weggehen und Wiederkommen gesagt hast. Irgendwie wirkt der Pavillon jetzt kleiner und älter.«
    »Schließ nur die Augen, und erinnere dich daran, wie es früher war, und wünsche dir, es wäre jetzt genauso. Ich weiß, daß es dann so sein wird. An jenem Tag, als meine Mutter und ich dich im Bostoner Krankenhaus besucht hatten, bin ich auch hierhergekommen.«
    »Wirklich?« Ich sah ihm in die Augen. Sein Blick war in den meinen versunken. Es war so, als könnte jeder dem anderen ins Herz blicken, über den Körper und den Geist hinaus, es war, als würden unsere Seelen verschmelzen. Wieder spürte ich, daß wir etwas ganz Besonders miteinander teilten, etwas Magisches, das nur wir beide wahrnehmen konnten…
    »Ja. Ich habe hier gesessen und die Augen geschlossen, und als ich sie wieder öffnete, erblickte ich dich. Du lachtest, und dein Haar wehte im Wind. Und dann hast du mit mir gesprochen.«
    »Was habe ich gesagt?« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Du hast gesagt: ›Sei nicht traurig, Luke. Ich werde wieder stark und gesund werden und nach Winnerrow zurückkehren.‹
    Ich mußte die Augen schließen, um dich noch weiter sehen zu können. Und als ich sie wieder öffnete, geschah etwas ganz Seltsames, Annie.«
    »Was?«
    »Ich fand dies auf dem Boden des Pavillons.« Er griff in seine Hosentasche und zog ein pinkfarbenes Stirnband hervor, mit dem ich früher oft mein Haar zurückgebunden hatte. »Oh, ich weiß, viele Leute würden sagen, daß es schon zuvor hier gelegen sein mußte, daß es vielleicht nur unter das Geländer gerutscht und jetzt durch einen Windstoß zum Vorschein gekommen war. Aber ich sah es erst, als ich die Augen wieder öffnete.«
    »O Luke!« Ich nahm das Band in meine Hand. »Es ist nicht einmal schmutzig.«
    »Ich habe es nachts mit ins Bett genommen. Mein Zimmerkollege muß mich für völlig verrückt gehalten haben, aber das war mir gleichgültig. Solange ich es bei mir hatte, war es, als wärst du in meiner Nähe. Also, siehst du, dieser Ort hat tatsächlich etwas Magisches.«
    Magisch, dachte ich. Wenn Liebe magisch war, dann hatte Luke wohl recht. Oh, ich wußte, daß es nicht richtig war, ich wußte, daß ein junger Mann und eine junge Frau, die in so enger verwandtschaftlicher Beziehung zueinander standen, sich nicht so ansehen durften, wie wir es taten… Doch keiner von uns beiden schien fähig, dem ein Ende zu setzen. Sollten wir es einfach offen zugeben, unsere Gefühle füreinander frei aussprechen? Oder sollten wir weiterhin vorgeben, nur gute Freunde und Halbgeschwister zu sein?
    Würde dann das Verlangen, das ich für ihn empfand, erlöschen? Würde dann mein Herz nicht mehr so stürmisch pochen, wenn er mich berührte? Würde ich dann aufhören von ihm zu träumen und zu phantasieren? Wenn Liebe wirklich ein Zauber war, dann würden wir durch ihren Bann immer nur Verdammnis oder überirdisches Glück erfahren.
    Überirdisches Glück, da ich mich, wann immer ich mit Luke zusammen war, so lebendig fühlte wie in der Gegenwart keines anderen Menschen. Ich empfand alles, was eine Frau nur empfinden konnte. Verdammnis, da es eine Qual war, jemanden zu begehren, den man nicht wirklich lieben durfte…
    Vielleicht war es besser, nicht dem Zauber solcher Magie zu verfallen.
    »Ich möchte dir ganz nah sein, Luke«, flüsterte ich, »aber…«
    »Ich weiß«, sagte er und legte seine Finger auf meine Lippen, um die Worte zurückzudrängen, die wir beide fürchteten. Dann beugte er sich zu mir vor bis unsere Gesichter sich beinahe berührten. Mein Herz klopfte wild, und mein Atem ging schneller.
    »Luke…«, murmelte ich, und er hatte sich schnell wieder in der Gewalt und lehnte sich zurück. Für einen Augenblick sah er verwirrt aus, dann stand er auf.
    »Ich hole deine Gehhilfe. Du wirst bald wieder ohne Schwierigkeiten gehen können«, fügte er hinzu, um mich zu ermutigen. Ich ergriff seine

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