Nacht über Eden
strahlender als je zuvor.
»Es gibt viele Dinge, die dich in Farthy erwarten. Vieles, was du erben wirst, um deine Freude daran zu haben.«
»Ich kann es kaum erwarten.«
Etwa eine Stunde nachdem er gegangen war, wurde der Rollstuhl geliefert. Tony hatte ihn mit einem breiten rosafarbenen Band umwickeln lassen. Mrs. Broadfield entfernte es rasch und stellte den Stuhl auf. Die Armlehnen und Fußstützen waren aus schimmerndem Chrom, der Sitz und die Rückenlehne aus weichem braunem Leder. Die Armlehnen waren mit Wildleder bezogen.
»Es muß eine Spezialanfertigung für Mr. Tatterton sein«, meinte Mrs. Broadfield. »Ich habe noch nie zuvor ein solches Modell gesehen.«
Sie rollte den Stuhl neben mein Bett und ich bekam einen Vorgeschmack dessen, was es bedeutete, künftig jeden Morgen aus meinem Bett in den Rollstuhl gehoben zu werden.
Zunächst stellte sie das Kopfteil des Bettes so steil wie es nur ging, damit ich in eine sitzende Position kam. Dann schlug sie die Decken zurück, hob meine Beine an und drehte mich ein wenig, so daß sie über die Bettkante hingen. Sie baumelten leblos herab, als gehörten sie gar nicht zu meinem Körper.
Als ich in dem Stuhl saß, klappte sie die rechte Armlehne wieder herunter und stellte die Fußstützen richtig ein, so daß meine Beine festen Halt hatten.
»Dieser kleine Hebel dient dazu, den Rollstuhl zu blockieren, damit er nicht wegrollen kann. Um ihn in Bewegung zu bringen, bedarf es keines großen Kraftaufwands. Schieben Sie die Räder einfach leicht an, und lassen Sie sich von dem Schwung tragen. Wenn Sie nach links fahren wollen, drücken Sie diesen Metallhebel herunter. So, und nun üben Sie«, befahl sie, während ich durch das Zimmer rollte.
Wie sehr wünschte ich mir, daß Drake oder Luke hier wären!
Ich brauchte ihre Unterstützung. Drake würde sagen, daß ich wie ein kleines Mädchen in einem Spielzeugauto aussähe.
Auch Luke würde sich eine lustige Bemerkung ausdenken, und nur in seinen Augen würde ich seine tiefe Trauer lesen.
Mrs. Broadfield sah mir zu und gab mir Ratschläge; dann entschied sie, daß es für’s erste genug wäre. Sie schob mich zurück zu meinem Bett und machte dieselben Handgriffe wie zuvor, jetzt allerdings in umgekehrter Reihenfolge, um mich wieder in mein Bett zu bringen. Dann schob sie den Rollstuhl beiseite und verließ das Zimmer, um nach meinem Abendessen zu sehen.
Ich lag da und starrte auf den Rollstuhl, und plötzlich wurde mir bewußt, daß ich mich mit ihm würde anfreunden müssen.
Obwohl Tony offensichtlich keine Kosten gescheut hatte, damit er wie ein bequemer normaler Sessel aussah, war sein Zweck doch unverkennbar. Ich war behindert, ein Krüppel, verdammt zur Abhängigkeit von anderen Menschen und technischen Hilfsmitteln. Und das konnten auch alles Geld der Welt und die teuerste Betreuung nicht ändern. Nur ich selbst konnte diese Zustand verändern.
Um mich herum gab es am nächsten Tag so viel Aufregung, daß Mrs. Broadfield fast den ganzen Tag meine Zimmertür geschlossen hielt, um mich abzuschirmen, bis die Zeit zum Aufbruch endlich gekommen war. Die Krankenschwestern der Station, die oft auf einen Sprung hereingekommen waren, um zu plaudern oder eine Zeitschrift auszuleihen, erschienen jetzt, um sich zu verabschieden und mir Glück zu wünschen. Auch einige Hilfsschwestern und Krankenpfleger schauten herein; und selbst meine »Pink-Dame« wollte mich noch einmal sehen. Am Abend zuvor hatte Tony mir eine Schachtel gebracht, die ein malvenfarbenes Kleid enthielt. Es sah zwar nagelneu aus, doch mir fiel auf, daß es der Mode entsprach, die man vor fünfundzwanzig Jahren getragen hatte.
»Es hat deiner Mutter gehört«, erklärte er. »Ich habe es ihr gekauft, als sie nach Winterhaven ging. Du hast jetzt ungefähr dieselbe Größe wie sie damals. Gefällt es dir?«
»Es ist ein wunderbares Kleid. Es ist zwar nicht das, was junge Mädchen heutzutage tragen, aber wenn es meiner Mutter gehört hat…«
»Sie sah wundervoll darin aus. Und außerdem, Annie, du willst dich doch wohl nicht zum Sklaven der Mode machen.
Schöne Dinge sind zeitlos. Das begreifen die meisten jungen Mädchen heute nicht; sie sind Opfer der aktuellen Mode, der Werbung und kurzlebiger Trends. Ich bin sicher, daß du den guten Geschmack deiner Mutter geerbt hast und den Sinn für Dinge, die zeitlos schön sind.«
Ich wußte nicht, was ich darauf erwidern sollte. Meine Mutter war zwar darauf bedacht gewesen, daß ich hübsch
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