Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
Miles und ich können ein bißchen Sport gut vertragen, was, Miles?«
    »Kein Problem, Miß Annie. Ich mache das gerne für Sie, jederzeit.«
    Sie stellten mich wieder ab, und ich schaute die langen Korridore entlang, die sich in beide Richtungen meilenweit zu erstrecken schienen. Tony schob mich nach links.
    »Ich habe eine wunderbare Überraschung für dich. Das Zimmer, in dem du wohnst, gehörte deiner Großmutter und dann deiner Mutter.« Er schob mich weiter den Korridor hinunter. »Und jetzt gehört es dir!« Dann hielt er an einer offenstehenden Doppeltür.
    Sanft legte er seine Hand auf die meine. »Ich habe schon immer gewußt, daß es eines Tages so sein würde.«
    Ich wandte mich rasch um, denn ich wollte sein Gesicht sehen. Seine Augen blickten in die meinen und schienen wortlose Botschaften auszusenden. Er sah so entschlossen und zufrieden aus, daß ich einen Augenblick lang Angst bekam.
    Manchmal hatte ich das Gefühl, als hätte Tony schon vor langer Zeit mein ganzes Leben geplant…
    Mein Herz bebte wie die Flügel eines verwirrten kleinen Kanarienvogels, der nicht wußte, ob er in den goldenen Käfig fliegen sollte. Sicherlich würde er gut versorgt werden, verwöhnt, gefüttert, geliebt; aber der kleine Vogel wußte auch: Wenn er erst einmal in dem Käfig war, würde sich die winzige Tür hinter ihm schließen, und er würde die Welt von nun an nur noch durch die goldenen Gitterstäbe sehen können…
    Was sollte der kleine Vogel tun? Was hätte ich tun sollen?
    Als hätte er meine Angst gespürt, schob Tony mich rasch ins Zimmer.
    10. KAPITEL

    DAS ZIMMER MEINER MUTTER

    Tony schob mich durch die breite Doppeltür in den ersten der beiden Räume. Das Sonnenlicht fiel zart durch die blassen elfenbeinfarbenen Gardinen und verlieh dem Wohnzimmer eine unbewohnte, ja unwirkliche Atmosphäre. Genau wie der Salon im Erdgeschoß wirkte der Raum eher wie ein Museum als ein Zimmer, in dem jemand lebte. Die Wände waren mit einer zarten, ebenfalls elfenbeinfarbenen Seidentapete bedeckt, in die blasse orientalische Muster in grünen, violetten und blauen Farbtönen eingewoben waren.
    Ein mintgrün gekleidetes Dienstmädchen mit spitzenbesetzter weißer Schürze entfernte gerade die Plastikhüllen von zwei kleinen Sofas, die beide das gleiche Muster hatten wie die Tapete. Dann schüttelte sie die weichen blauen Zierkissen auf, deren Farbe sich im Muster des chinesischen Teppichs wiederholte. Zu Hause hatten wir immer Mrs. Avery als Haushälterin gehabt, und deshalb hatte ich mir vorgestellt, alle Dienstmädchen müßten ältere Frauen sein. Daher war ich überrascht, hier in Farthy eine so junge Frau zu erblicken, die meiner Einschätzung nach nicht älter als dreißig sein konnte.
    Tony stellte sie mir vor.
    »Das ist Millie Thomas, deine persönliche Kammerzofe.«
    Millie wandte sich um und schenkte mir ein warmes Lächeln.
    Ihr Gesicht war nicht besonders hübsch: glanzlose braune Augen, ein ziemlich rundes Kinn und aufgedunsene Wangen.
    Ihre plumpe Figur – sie hatte einen kleinen Busen und breite Hüften – erinnerte an eine Kirchenglocke. Sie war, dachte ich, im Grunde dazu verdammt, ihr Leben lang als Dienstmädchen zu arbeiten und die Häuser anderer Leute zu putzen und in Ordnung zu halten.
    »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Miß.« Millie machte einen kleinen Knicks und wandte sich dann an Tony. »Ich bin fertig mit dem Schlafzimmer.«
    »Sehr schön. Vielen Dank, Millie. Sehen wir uns nun dein Schlafzimmer an«, sagte Tony und schob mich durch das Wohnzimmer. Wir machten in der Tür halt, damit ich alles überschauen konnte. Ich hörte, wie Mrs. Broadfield im Bad die Waschbecken ausspülte und andere Vorbereitungen traf.
    Während ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, versuchte ich mir vorzustellen, was meine Mutter wohl empfunden haben mochte, als sie diesen Raum das erste Mal sah. Sie hatte zuvor bei Cal und Kitty Dennison gelebt, dem Paar, das sie ihrem Vater für fünfhundert Dollar abgekauft hatte.
    Vorher hatte sie in einer Hütte in den Willies gewohnt, ärmer als eine Kirchenmaus, und danach bei diesem seltsamen Paar, den Dennisons – und plötzlich befand sie sich hier in dieser Villa, in der ihr eine prachtvolle Zimmerflucht geboten wurde.
    Bestimmt war sie in der Tür stehengeblieben, so wie auch ich nun innehielt, und hatte mit verzauberten, erstaunten Augen das, was da vor ihr lag, betrachtet: ein wunderhübsches Himmelbett mit einem gewölbten Baldachin aus blauer

Weitere Kostenlose Bücher