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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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gegeben haben mußte. Deshalb hörte ich aufmerksam zu, als Tony weiterplauderte. Er beschrieb, wie sie lachten und einander umarmt hielten, wie mein Vater sich freute, daß er Farthinggale kennenlernte, und wieviel Spaß es Tony bereitet hatte, ihn herumzuführen.
    »Als ich deine Mutter das erste Mal sah, konnte ich nicht fassen, wie sehr sie ihrer Mutter glich«, fuhr er fort, als wir meine Räume verließen und in den langen Korridor einbogen.
    »Genau wie du, mein Liebes. Wenn ich die Augen schließe und dich sprechen höre, habe ich manchmal das Gefühl, als kehrte ich in die Vergangenheit zurück und hörte Heavens Stimme. Und wenn ich dann die Augen wieder öffne, bin ich mir einen kurzen Augenblick gar nicht mehr sicher, wen ich vor mir habe. Waren die vielen Jahre seit ihrem Weggehen nur ein Alptraum? Kann ich in jene glücklicheren Zeiten zurückkehren? Wenn man etwas nur stark genug herbeisehnt, kann es dann nicht Wirklichkeit werden?
    Manchmal verschwimmen eure drei Gesichter in meinen Gedanken zu einem einzigen… als wärt ihr nicht drei Frauen, sondern nur eine. Leigh, Heaven und jetzt du, ihr habt so ähnliche Stimmen, benehmt euch ähnlich und gleicht euch so sehr! Ihr seid wie Schwestern, wie Drillinge, nicht Mütter und Töchter«, sagte er leise.
    Es gefiel mir nicht, daß er uns so als Einheit sah. Es war, als wäre ich kein Individuum mehr, besäße keine eigenen Gedanken und Gefühle. Natürlich wollte ich wie Mammi sein; ich wollte auch aussehen wie sie, aber ich wollte doch ich selbst sein, Annie, und nicht Leigh oder Heaven. Warum wollte Tony das nicht wahrhaben? Wußte er denn nicht, wie wichtig für jeden Menschen das Gefühl seiner Identität war?
    Ich würde demnächst einmal mit ihm darüber sprechen müssen.
    Jetzt wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder der Tour durch das Haus zu. Ich hatte nicht viel vom oberen Teil des Hauses gesehen, als sie mich in mein Zimmer gebracht hatten, aber jetzt bemerkte ich, wie abgenutzt und verschlissen der Teppich im Flur war. Viele der Kronleuchter, die von der Decke herabhingen, hatten kaputte Glühbirnen, und überall sah ich Spinnweben. Die Vorhänge an den wenigen Fenstern waren zugezogen, so daß es ganz dunkel im Korridor war, vor allem in dem Abschnitt, durch den Tony mich gerade schob.
    »Dieser ganze Flügel war jahrelang unbewohnt. Die Zimmer gehörten ursprünglich meinen Urgroßeltern, aber zu Ehren deiner Eltern habe ich sie völlig renovieren und neu einrichten lassen. Ich wußte, was deiner Mutter gefiel, und bei ihrer Ankunft war alles fertig. Du hättest die Überraschung auf ihrem Gesicht sehen sollen, als ich die Doppeltüren öffnete.«
    Er lachte, aber es war ein seltsames, dünnes Lachen, das Lachen eines Menschen, der in seiner eigenen Welt gefangen ist. Als ich mich zurücklehnte und den Kopf wandte, um ihn anzuschauen, sah ich, daß sein Blick wie entrückt wirkte, entrückt in das Paradies seiner Erinnerungen…
    Sah er denn gar nicht, wie abgenutzt und heruntergekommen der Korridor war? Bemerkte er den modrigen Geruch nicht?
    »Niemand geht mehr diese Flure entlang. Ich erlaube niemandem, diese Zimmer zu betreten«, meinte er, als hätte er meine Gedanken gelesen und wüßte, daß ich mich fragte, warum er nicht die Dienstmädchen hier herauf schickte, um hier sauberzumachen.
    Je weiter wir vordrangen, desto düsterer und verwahrloster erschien mir der Korridor. Riesige, mit Staub überzogene Spinnweben bedeckten Wände und Decken. Schließlich blieb Tony vor einer großen Doppeltür aus abgebeiztem Walnußholz stehen. Auf beiden Flügeln sah ich lange, schmale Wasserflecken, von denen einige frisch schienen.
    Tony holte einen Schlüsselring aus seiner Jackentasche.
    Nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte, wandte er sich mir zu. Auf seinem Gesicht lag ein seltsames Leuchten, und seine Augen sprühten vor Erregung. So muß er ausgesehen haben, als er damals meine Eltern mit diesen Zimmern überraschte, dachte ich. Waren seine Erinnerungen so lebendig, daß er sich ganz in jene Zeit zurückversetzen konnte?
    »Die Zimmer für Mr. und Mrs. Logan Stonewall«, verkündete er, als seien sie beide noch am Leben und würden hier neben mir stehen.
    Dann stieß er die Türen auf. Sie ächzten in den Angeln, als würden sie stöhnende Warnungen ausstoßen. Ich brachte es nicht fertig, darauf zu warten, daß Tony mich endlich weiterschob; deshalb ergriff ich die Räder und bewegte den Stuhl selbst vorwärts. Zu meiner Überraschung

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