Nacht über Eden
Mann, der den Fernseher brachte, war klein und gedrungen, und sein Gesicht sah aus wie altes, ausgetrocknetes Leder. Die vielen, vielen Stunden, die er in der Sonne hatte arbeiten müssen, hatten seine Haut gegerbt. Seine Stirn und sogar sein Kinn waren von tiefen Falten durchzogen. Er sagte, sein Name sei Parson.
»Arbeiten Sie schon lange hier, Parson?«
»O nein, kaum länger als eine Woche.«
»Wie gefällt es Ihnen?« Zuerst dachte ich, er hätte meine Frage gar nicht gehört; dann erst merkte ich, daß er überlegte, was er antworten sollte. »Ich nehme an, es gibt hier sehr viel für Sie zu tun«, fügte ich hinzu, um ihn zu einer Antwort zu ermuntern.
Er sah einen Augenblick erstaunt auf und blickte mich an.
»Ja, es gibt viel Arbeit, aber jedesmal, wenn ich mit irgend etwas anfange, überlegt Mr. Tatterton es sich anders und gibt mir einen neuen Auftrag.«
»Er überlegt es sich anders?«
Parson schüttelte den Kopf. »Ich weiß auch nicht.
Ursprünglich hat er mich eingestellt, um den Swimmingpool zu reparieren. Ich fange also an, den Zement zu mischen, aber als ich gerade damit begonnen habe, kommt Mr. Tatterton heraus und will wissen, was ich da mache. Ich sage es ihm und er schaut zuerst den Swimmingpool und dann mich an, als sei ich verrückt geworden. Dann meint er, sein Vater habe ihm gesagt, er solle nie etwas reparieren, wenn es nicht kaputt sei.
›Was?‹ frag ich. ›Die Hecken an den Wegen im Irrgarten müssen gestutzt werden‹, meint er und schickt mich zum Heckenschneiden. In der Zwischenzeit wird der Zement, den ich gemischt habe, hart, und man kann ihn wegschmeißen. Na ja, was soll’s, immerhin zahlt er gut.« Parson zuckte die Schultern und machte sich wieder an dem Fernseher zu schaffen.
»Aber was ist mit dem Swimmingpool?«
»Ich stell keine Fragen. Ich tu bloß, was man mir sagt. So, das müßte jetzt funktionieren.« Er schaltete den Apparat an und drehte an den Kanälen und der Feineinstellung herum.
»Soll ich ihn anlassen?«
»Im Augenblick nicht, Parson. Vielen Dank.«
»Keine Ursache.«
»Parson, wie sieht es im Irrgarten aus?«
»Wie’s da aussieht?« Er zuckte die Schultern. »Weiß ich nicht. Ist ziemlich friedlich dort drin, nehm ich an, wenn man richtig tief reingeht und weil’s so ruhig ist, bildet man sich ein, daß man Geräusche hört.« Er lachte in sich hinein.
»Wie meinen Sie das?«
»Ein paarmal hab ich gedacht, da wär jemand auf einem der Wege, also hab ich gerufen, aber keiner hat geantwortet. Und gestern, es war schon spät, da war ich sicher, daß ich Schritte gehört hatte, also hab ich mich auf den Weg gemacht und bin erst den einen Weg gegangen und dann den nächsten und wieder einen, und was glauben Sie wohl, was passiert ist, Miß?«
»Was ist passiert?«
»Ich hab mich verirrt. Das ist es, was passiert ist.« Er lachte laut. »Hat fast eine halbe Stunde gedauert, bis ich wieder da hingekommen bin, wo ich gearbeitet hab.«
»Und was war mit den Schritten?«
»Hab mich wohl getäuscht. Na, ich muß los.«
»Vielen Dank«, rief ich ihm nach.
Als er gegangen war, starrte ich aus dem Fenster. Der Himmel war so blau wie Mammis Augen, wenn sie zufrieden und glücklich war. Meine Augen sind jetzt bestimmt ganz grau, dachte ich, so glanzlos wie eine verblichene, abgetragene blaue Bluse. Aber die Welt draußen funkelte vor Leben und Helligkeit; das Gras hatte ein sattes Grün und sah kühl und frisch aus, die Bäume standen in voller Blüte, und die kleinen, bauschigen Wolken wirkten so sauber und weich wie frisch aufgeschüttelte Kissen.
Rotkehlchen und Spatzen flatterten von Zweig zu Zweig, freudig erregt, weil sie einen warmen, wunderschönen Nachmittag vor sich hatten. Wie gerne hätte ich mit einem von ihnen getauscht und wäre selbst ein Vögelchen oder irgendein anderes Lebewesen gewesen, das sich frei und ungehindert bewegen und sein Leben genießen konnte!
Mammi und Daddy waren tot, Luke war allem Anschein nach unerreichbar, und ich war in diesem alten Haus eingesperrt –
das einzige, was etwas Abwechslung in mein Leben brachte, waren Massagen, heiße Bäder, Medikamente und Ärzte. Und ich hatte keine Ahnung, wie lange das noch dauern sollte…
Ich schüttelte mein Selbstmitleid ab, als ich Tony in seinem Rolls-Royce heranfahren sah. Als der Wagen in der Nähe des Friedhofs hielt, rollte ich so nahe ans Fenster, wie ich nur konnte. Ich sah, wie er ausstieg und zum Grabmal meiner Eltern ging. Er kniete davor nieder und
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