Nacht über Eden
kribbelig.
»O Tony, ich weiß es wirklich nicht. Ich habe noch nie daran gedacht, mir die Haare zu färben. Es könnte ja auch ganz entsetzlich aussehen.«
»Wenn es dir nicht steht, dann lasse ich den Friseur sofort zurückkommen, damit er deinen Haaren wieder ihre Naturfarbe gibt.«
»Vielleicht nach der Trauerfeier, Tony. Ich möchte mich jetzt im Augenblick nicht mit so etwas befassen. Ich danke dir.«
Damit gab ich ihm die Fotos zurück. Er schien enttäuscht, nickte aber verständnisvoll.
»Was ist mit dem Kleid?«
»Drake wird mir etwas Passendes mitbringen. Ich habe ein schwarzes Kleid auf meine Liste gesetzt.«
»Möchtest du es nicht wenigstens anprobieren?«
Ich merkte, wieviel es ihm bedeutete, und wurde langsam selbst neugierig, wie ich wohl darin aussehen mochte.
»Ich schicke Mrs. Broadfield herein, damit sie dir dabei behilflich sein kann. Wenn du es anhast, ruf mich«, fügte er noch hinzu und eilte hinaus, ehe ich etwas erwidern konnte.
Ich hatte eigentlich nicht gemeint, daß ich es jetzt gleich anprobieren wollte, aber er war so aufgeregt und glücklich wie ein Kind vor der Weihnachtsbescherung. Ich konnte es ihm einfach nicht abschlagen. Gleich darauf erschien Mrs.
Broadfield. Sie schien nicht besonders erfreut über Tonys Ansinnen.
»Es muß nicht jetzt gleich sein, Mrs. Broadfield, wenn Sie gerade etwas anderes zu tun haben.«
»Wenn ich etwas anderes zu tun hätte, dann wäre ich jetzt nicht hier.« Sie nahm das Kleid vom Bett und betrachtete es einen Augenblick lang. Dann zuckte sie die Achseln und kam zu mir, um mich aufzusetzen und mir aus meinem Nachthemd zu helfen. Nachdem ich es mit ihrer Unterstützung geschafft hatte, das Kleid überzuziehen, half sie mir in den Rollstuhl, damit ich mich in dem großen Wandspiegel betrachten konnte.
Da ich saß, war es schwierig, wirklich zu sagen, wie mir das Kleid stand, aber ich hatte den Eindruck, daß es mich älter machte. Seit dem Unfall hatte ich mich nicht mehr um meine Haare gekümmert, und nun, da ich etwas anderes trug als immer nur ein Nachthemd, merkte ich erst richtig, wie fürchterlich ich aussah. Meine Haare wirkten ungewaschen, strähnig und fettig. Das schwarze Kleid betonte noch meine ungesunde Blässe. Ich wäre bei meinem Anblick beinahe in Tränen ausgebrochen.
Mrs. Broadfield trat zur Seite, die Arme verschränkt, und betrachtete mich wie eine gelangweilte Verkäuferin in einem Modegeschäft. Mir bei der Anprobe von Kleidern zu helfen zählte ihrer Ansicht nach offensichtlich nicht zu den Pflichten einer Krankenschwester. Ich hörte nicht, daß Tony wieder hereinkam. Er stand plötzlich in der Tür und starrte mich an.
Ich spürte seinen Blick auf mir und drehte mich nach ihm um.
Er blickte mich verzückt an, und sein Mund war zu jenem seltsamen Lächeln verzogen, das ich in letzter Zeit immer öfter an ihm beobachtet hatte. Mrs. Broadfield sagte kein Wort, sondern verließ achselzuckend den Raum.
»O Tony, ich sehe so fürchterlich aus. Ich hatte das gar nicht bemerkt. Meine Haare sind grauenhaft. Niemand hat mir etwas gesagt, weder Drake noch du, noch irgendeiner der Angestellten.«
»Du bist wunderschön. Deine Schönheit verblaßt nicht durch Zeit oder Krankheit. Sie ist unsterblich. Ich wußte, daß dieses Kleid genau das Richtige für dich ist. Du wirst es doch morgen anziehen, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, Tony. Ich gefalle mir bestimmt in keinem Kleid so richtig, also spielt es vielleicht gar keine Rolle.«
»Aber natürlich spielt es eine Rolle. Ich bin sicher, daß deine Mutter lächelnd auf dich herniederschauen wird. Und dabei wird sie denken, wie wunderschön ihre Tochter doch geworden ist!«
»Aber meine Haare«, wiederholte ich. Dabei hielt ich eine widerspenstige Strähne hoch und ließ sie dann angeekelt wieder fallen.
»Ich habe es dir doch gesagt… laß mich den Friseur jetzt gleich bestellen. Sieh doch, wie sehr dich dein Aussehen deprimiert. Ich bin zwar kein Arzt, aber ich weiß, wenn wir keine Freude an uns selbst haben, dann kann auch keine Besserung eintreten. Es kann sogar sein, daß wir dann immer kränker werden.«
Wie hartnäckig er doch war! Aber irgendwie leuchtete mir das, was er sagte, durchaus ein. Vielleicht war es doch nicht so falsch, wenn ich mich gerade jetzt mit meinem Aussehen beschäftigte.
»Und denke daran, Luke hat dich seit seinem Besuch im Krankenhaus nicht mehr gesehen. Ich bin sicher, er erwartet, daß du ein bißchen besser aussiehst.«
Luke, dachte
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