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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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grotesken Dekorationen sich in noch bizarrere Formen wanden. Die Unterworfenen drehten ab, gewannen an Höhe, setzten zu einem weiteren Anflug an. Derweil kreischte ein weiteres Punktepaar über das Port-Tal und verspritzte Farbe über die Wand in der Luft. Eigentlich wäre es ja ein toller Anblick gewesen, wenn ich nicht so sehr damit beschäftigt gewesen wäre, abzuhauen. Der Hang dröhnte unter dem Tritt eines unsichtbaren Riesen auf. Über uns am Hang ent- stand ein Kreis von fünfzehn Fuß Durchmesser und fünf Fuß Tiefe. Stöcke und Steine flogen durch die Luft. Der Kreis verfehlte uns nur knapp. Eine Reihe gleichartiger Abdrücke zog sich den Hang hinauf.
So heftig dieser Schlag auch war, er war doch weniger heftig als seine Vorgänger. Feder und Wisper fegten herab, und wieder schmolz die Front der Schwarzen Burg, tropfte, wechselte die Form. Dann krachte der Donner los. Bam-bam! Beide Unterworfene ver- schwanden in Rauchwolken. Schwankend kamen sie daraus hervor und kämpften um die Herrschaft über ihre Teppiche. Beide zogen Rauchschwaden hinter sich her wie Feder in jener Nacht, als wir Shed erwischt hatten. Sie versuchten verzweifelt, ihre Höhe zu halten. Die Burg wandte ihnen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu. Der Leutnant und ich verzogen uns.

VIERUNDDREISSIGSTES KAPITEL
Juniper: Flucht
    Die Lilie erbebte mehrere Male.
Shed putzte seine Becher und fragte sich, welche seiner Kunden wohl zur schwarzen Schar gehörten. Das Beben machte ihn nervös. Dann fegte ein Kreischen über sie hinweg, wurde lauter und verebbte dann, als es nach Norden raste. Einen Augenblick später bebte die Erde wieder, diesmal stark genug, daß das Geschirr klirrte. Er rannte auf die Straße. Ein kleiner schlauer Teil seines Verstandes achtete weiter auf seine Kunden und versuchte herauszufin- den, wer ihn beobachtete. Mit der Ankunft der Schar waren seine Fluchtchancen drastisch gesunken. Er wußte nicht mehr, wer nun wer war. Aber alle kannten ihn. Als er auf der Straße ankam, kam ein zweites Kreischen aus der Richtung der Einfriedung. Er sah zeigenden Händen hinterher. Ein mit einer Schnur verbundenes Kugelpaar raste gen Norden. Sekunden später wurde ganz Juniper von einem gleißenden bunten Lichterspiel er- leuchtet.
»Die Schwarze Burg!« sagten die Leute. »Sie greifen die Schwarze Burg an.« Shed konnte die Burg von seiner Straße aus sehen. Sie verschwand gerade hinter einem Vor- hang aus Farben. Entsetzen umklammerte sein Herz. Er konnte es nicht begreifen. Hier unten befand er sich doch in Sicherheit. Oder etwa nicht? Oder etwa nicht? Die Schar hatte die Hilfe mächtiger Zauberer. Sie würden nicht zulassen, daß die Burg etwas tat…
    Ein gewaltiger Hammerschlag schleuderte Geröll über den Nordhang. Er konnte nicht sehen, was dort geschah, aber er spürte sofort, daß die Burg nach etwas geschlagen hatte. Wahr- scheinlich nach diesem Croaker, der dort oben die Zufahrtswege abriegelte. Vielleicht ver- suchte die Burg die Straße wieder zu öffnen. Das Geplapper der Menge lenkte seine Aufmerksamkeit auf zwei Punkte, die aus dem blau- en Himmel herabstießen. Feuer umwaberte die Burg. Obsidian wand sich, verwandelte sich und fand dann seine ursprüngliche Form wieder. Die fliegenden Angreifer stiegen auf und wendeten. Zwei weitere Kugeln rasten heran, die offenbar von Duretile aus abgeschossen wurden. Und die Teppichflieger kamen wieder herab. Shed wußte, um wen es sich handelte und was dort geschah, und er war starr vor Schrecken. Um ihn herum drehte das überraschte Volk des Stiefels durch. Er brachte immerhin die Geistesgegenwart auf, um über seine eigene Lage nachzudenken. Hier und dort rannten Männer der Schwarzen Schar zu ihren Kampfpositionen. Truppen bil- deten sich und hasteten davon. Zweiergruppen von Soldaten bezogen Posten, die ihnen offen- bar für eventuell anstehende Aufstände und Plünderungen zugewiesen worden waren. Shed konnte niemanden entdecken, den er als einen seiner Aufpasser erkannt hätte.
    Er schlüpfte wieder in die Lilie, ging nach oben in sein Zimmer, wühlte in seinem Geheim-
versteck. Er stopfte sich Gold und Silber in die Taschen, zögerte bei seinem Amulett, hängte es sich dann doch unter seiner Kleidung um den Hals. Er überflog den Raum einmal, entdeck- te nichts, was er noch mitnehmen wollte, eilte wieder nach unten. Der Schankraum war leer, bis auf Sal, die an der Tür stand und das Schauspiel auf dem Nordhang beobachtete. Er hatte sie noch niemals gelassener und ruhiger

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