Nacht unter Tag
dass sie zehn Meter oder mehr nach hinten hineinreichen würde. Das machte mich gleich von Anfang an misstrauisch.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Phil.
»Ich bin keine Geologin. Aber soweit ich von meinen Kollegen aus der Geowissenschaft weiß, muss sich ein enormer Druck aufgebaut haben, bis ein natürlicher Einbruch erfolgt. Als man in der Gegend hier unter Tage Kohle abbaute, kam viel Spannung in den Felsen darüber zustande, deshalb hatte man große Spaltenbildungen und Einbrüche. Diese Größenordnung von geologischem Druck verursacht Deckeneinbrüche in alten Höhlen wie der hier. Diese Höhlen existieren seit achttausend Jahren und stürzen nicht einfach ohne Grund ein. Aber wenn sie einbrechen, dann ist es, wie wenn man den Schlussstein aus einer Brücke herauszieht. Dann gibt es einen großen Einsturz.« Während sie sprach, ließ River den Strahl der Taschenlampe weiter kreisen und zeigte, dass die Decke zu beiden Seiten des Einsturzes erstaunlich gut erhalten war. »Andererseits würde eine kleine Menge Sprengstoff einen kontrollierten Einsturz verursachen, der nur einen relativ kleinen Bereich betrifft, vorausgesetzt man kennt sich aus.« Sie sah Karen an und hob die Augenbrauen. »So etwas wird in Minen oft durchgeführt.«
»Du willst damit sagen, dass der Einsturz absichtlich herbeigeführt wurde?«, wollte Karen wissen.
»Für ein klares Ja oder Nein würde man einen Fachmann brauchen. Aber aufgrund der geringen Kenntnisse, die ich habe, würde ich sagen, es sieht so aus.« Sie drehte sich um und richtete die Taschenlampe auf einen Teil der Höhlenwand, der ungefähr anderthalb Meter über dem Boden lag. Im roten Sandstein war ein annähernd konisches Loch, an dem schwarze Streifen zu sehen waren. »Das scheint mir wie ein Sprengloch auszusehen«, erklärte River.
»Mist«, fluchte Karen, »was jetzt?«
»Na ja, als ich das sah, dachte ich, wir würden nach der Räumung des Pfads sehr vorsichtig sein müssen. Also hab ich meinen Overall angezogen und bin selbst reingegangen. Es ist ein Durchgang von vielleicht drei Metern Länge, dann erweitert er sich zu einer ziemlich großen Kammer. Vielleicht fünf auf vier Meter.« River seufzte. »Das alles freizuräumen wird die Hölle.«
»Und es gibt einen Grund, das zu tun?«, fragte Phil.
»O ja, es gibt einen Grund.« Sie richtete den Schein der Taschenlampe auf den Boden zu ihren Füßen. »Sie können sehen, dass der Boden nur aus fester Erde besteht. Gleich links nach dem Eingang in die Kammer ist eine lockere Stelle. Der Boden war festgetreten, aber ich bemerkte, dass er dort anders aussah als der Rest. Ich stellte Lampen und eine Kamera auf und fing an, die Stelle aufzugraben.« Rivers Stimme war inzwischen kühl und distanziert. »Ich musste nicht lange suchen. In ungefähr fünfzehn Zentimeter Tiefe fand ich einen Schädel. Ich habe ihn noch nicht entfernt, denn ich wollte, dass Sie ihn am Fundort sehen, bevor wir sonst irgendetwas tun.« Sie winkte ihnen, sich von dem Einsturz zu entfernen. »Sie werden Schutzanzüge brauchen«, sagte sie und wandte sich an die Studenten. »Jackie, könnten Sie Anzüge und Überschuhe für DI Pirie und DS Parhatka herüberbringen?«
Während sie sich anzogen, rekapitulierte River die Möglichkeiten. Es lief darauf hinaus, entweder die Studenten unter Rivers strenger Aufsicht weiterarbeiten zu lassen oder das Spurensicherungsteam der Kripo zu rufen. »Das hast du zu entscheiden«, meinte River. »Ich würde dazu nur sagen, dass wir fürs Budget die günstigere Lösung sind, zweitens haben wir auch Spezialisten, die erst kürzlich ausgebildet wurden. Ich weiß nicht, wie dein archäologischer und anthropologischer Kenntnisstand ist, aber ich könnte wetten, dass eine kleine Polizei wie die von Fife kein Team von Spitzenkräften zur Verfügung hat.«
Karen warf ihr einen ihrer vernichtenden Blicke zu, bei denen ihre Mitarbeiter winzig klein mit Hut wurden. »Seit ich dabei bin, haben wir noch nie einen solchen Fall gehabt. Wenn sich etwas Außergewöhnliches ergibt, ziehen wir immer Experten von außerhalb hinzu. Das Wichtigste ist, sicherzustellen, dass die Beweise vor Gericht standhalten. Ich weiß, dass du eine qualifizierte Expertin und glaubhafte Zeugin bist, aber deine Studenten sind das nicht. Ich werde die Sache mit der Makrone besprechen müssen, aber ich glaube, wir sollten mit deiner Mannschaft weitermachen. Allerdings müssen jederzeit zwei Videokameras laufen, und du musst dabei sein, wann
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