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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Kaffee brachte. Nachdem sie einen Löffel Zucker dazugegeben hatte, rührte sie langsam um. »Was ist also mit Andy passiert? Meinst du, er ist weggegangen und hat sich umgebracht?«
    »Wahrscheinlich. Nach dem, was du mir erzählt hast, klingt es, als sei er ein sensibler Mensch gewesen.«
    Sie musste zugeben, dass das einleuchtete. Phils größerer Abstand zu dem Fall ließ ihn die Dinge klarer sehen. Obwohl sie selbst genug Verstand hatte, wusste sie, wann es besser war, sich zurückzunehmen und jemand anderen die Fakten betrachten zu lassen. »Wenn du recht hast, werden wir vermutlich nie erfahren, wie es ausging. Und ob sich etwas zwischen Andy und Mick abspielte, oder ob auch Ben Reekie dabei war.«
    Phil lächelte und schüttelte den Kopf. »Das ist eine Theorie, die wir nicht mit Effie Reekie besprechen können. Es sei denn, wir wollen, dass es noch eine Leiche gibt.«
    »Sie würde auf der Stelle einen Herzschlag bekommen«, überlegte auch Karen.
    Er lachte leise. »Natürlich könnte die ganze Suche sinnlos sein, wenn Jenny die Wahrheit gesagt hat, als sie dich bat, die Sache aufzugeben.«
    Karen schnaubte. »Das ist eine Sackgasse, diese Richtung. Ich schätze, sie versucht, den ganzen Ärger einfach abzustellen. Sie will, dass wir sie in Ruhe lassen, damit sie zu ihrem Leben als Märtyrerin zurückkehren kann.«
    Phil sah überrascht aus. »Du meinst, ihr ist ihre Ruhe wichtiger als das Leben ihres Enkels?«
    »Nein. Sie ist unheimlich ichbezogen, aber ich glaube, so sieht sie es nicht. Ich meine, tief im Inneren glaubt sie, einen Teil der Verantwortung für Micks Verschwinden zu tragen. Und das heißt, sie muss einen Teil der Schuld dafür übernehmen, dass er weg ist und kein Spender für Luke sein kann. Sie versucht also, die Schuld abzuwälzen, indem sie uns davon abhält, weiter nach ihm zu suchen, damit sie wieder wie zuvor den Kopf in den Sand stecken kann.«
    Phil kratzte sich am Kinn. »Die Leute sind so verkorkst«, seufzte er.
    »Wohl wahr. Aber dieser Ausflug wird uns zumindest Antworten bringen.«
    »Vielleicht, aber man kommt doch ins Grübeln«, meinte Phil.
    »Grübeln – worüber genau?«
    Er zog ein Gesicht. »Wir fahren den weiten Weg nach Edinburgh, um River eine DNA -Probe zu bringen, die sie mit der Leiche vergleichen kann. Aber was, wenn Misha nicht Micks Kind ist? Was, wenn sie von Tom Campbell ist?«
    Karen sah ihn bewundernd an. »Du kommst wirklich auf üble Gedanken, Phil. Ich glaube, du täuschst dich, aber es ist trotzdem eine tolle Idee.«
    »Würdest du wetten, dass die DNA zeigt, dass es Mick Prentice ist?«
    Sie lehnten sich beide zurück, damit die Bedienung die vollen Teller vor ihnen abstellen konnte. Der Duft war verführerisch, Karen hätte am liebsten den Teller hochgehoben und ihn eingesogen. Aber vorher musste sie Phil antworten. »Nein«, erwiderte sie. »Und nicht, weil ich denke, Misha sei Tom Campbells Kind. Es gibt andere Möglichkeiten. River sagt, der Hinterkopf ist eingeschlagen, Phil. Wenn Andy Kerr Mick Prentice getötet hat, dann geschah es in der Hitze des Gefechts. Er hätte sich niemals von hinten an ihn herangeschlichen und ihm den Schädel zertrümmert. Deine Theorie ist sehr schön, aber ich bin nicht überzeugt.« Sie lächelte. »Aber andererseits liebst du mich ja deswegen.«
    Er warf ihr einen eigenartigen Blick zu. »Du steckst immer voller Überraschungen.«
    Karen schluckte einen göttlichen Bissen Fleisch mit Teig hinunter. »Ich will Antworten, Phil. Richtige Antworten, nicht nur die beknackten Gedanken, die wir beide uns zusammenträumen, weil sie zu dem passen, was wir schon wissen. Ich will die Wahrheit.«
    Phil schob den Kopf zurück und betrachtete sie. »Eigentlich«, sagte er, »ist
das
der Grund, weshalb ich Sie liebe, Ma’am.«
     
    Eine Stunde später standen sie vor der Tür des Mietshauses in Marchmont, wo Misha Gibson wohnte. Karen dachte noch darüber nach, ob in Phils Worten mehr mitgeklungen hatte als ein neckender Unterton.
    Lange war sie der Meinung gewesen, alles sei zwischen ihnen möglich. Aber vielleicht hatte sie sich getäuscht. Sie würde ihn jedenfalls ganz sicher nicht fragen, was er gemeint hatte. Sie drückte noch einmal auf den Klingelknopf, aber niemand antwortete.
    Da fragte eine Stimme hinter ihnen: »Suchen Sie Misha?«
    »Genau«, antwortete Phil.
    Ein älterer Mann trat heran und zwang Karen, sich von der Tür zu entfernen, wenn sie nicht angerempelt werden wollte. »Zu dieser Tageszeit werden Sie

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